Auf der Jagd befand sich das ‘Danish String Quartet’ auch im Kammermusiksaal der Philharmonie in Luxemburg. Uwe Krusch berichtet.
Ein zeitlich und stilistisch weitgespanntes Feld unter dem Thema Jagd hatte das ‘Danish String Quartet’ im Gepäck und präsentierte sich den Zuhörern persönlich charmant, voller Spiellaune und von hoher Qualität des Vortrags. Von dem mutmaßlich Urquartett überhaupt, nämlich der Nummer 1 der Reihe Opus 1 von Joseph Haydn über das ebenfalls in B-Dur stehende Quartett Köchelverzeichnis 458 von Wolfgang Amadeus Mozart bis zu dem dritten Quartett von Jörg Widmann reicht die Palette der auch den Titel ‘Jagdquartett’ tragenden Werke. Nach der Pause kam dann noch der wie bei Haydn und Mozart in B-Dur stehende dritte Gattungsbeitrag von Johannes Brahms dazu.
Obwohl die Jagd mit dem Instrument Horn verbunden ist, wird durch die Tonartwahl und die rhythmische Ausformung im 6/8Takt und den galoppierenden Rhythmen die Beziehung hergestellt. Jagden waren feudale Lustbarkeiten, mit denen auch Status und Reichtum dargestellt werden konnten. Doch eine Jagd kennt auch Gejagte, Aber der Reihe nach.
Eingeführt wurde der Abend für eine kleine Schar der Zuhörer mit einem Gespräch, das Sophie Palent mit den beiden Geigern des Quartetts führte. Darin konnten sie in launiger Selbstdarstellung von den Anfängen in einem Musiksommerlager mit Fußball für musizierende Kinder über das erste Konzert 2002 und den Wechsel zu dem jetzigen norwegischen Cellisten 2008 bis zum heutigen Tag mit bis zu 200 Konzerten im Jahr und die nach wie vor bestehende Freundschaft plaudern. Der Anstoß für das präsentierte Programm kam zwar von außen, aber die vier Musiker haben ihn gerne aufgegriffen und mit Enthusiasmus umgesetzt, wie das Konzert zeigte.
Vor den ersten Tönen führte der Geiger Frederik mit einleitenden Worten zum Programm. Das Haydn-Quartett ist mit seinen fünf Sätzen sicher noch auf der Suche nach der perfekten Form für diesen Werktypus. Aber trotzdem zeichnen sich bei diesem experimentierfreudigen Komponisten schon die Linien der Entwicklung ab. Das gilt zum Beispiel für das mit einfachen Mitteln auskommende und trotzdem tiefsinnige Adagio des Werkes.
Der Beiname ‘Jagdquartett’ für das Werk von Mozart findet seine Begründung in den Hornfanfaren des Hauptthemas im ersten Satz und in dessen gleichsam galoppierendem Sechsachteltakt. Ansonsten ist es ein lyrischeres Stück. Auch hier gelang den nordischen Musikern eine völlig entspannte und in sich ruhende Interpretation, die dennoch nichts an innerer Spannkraft, Aufbau und Formulierungskünsten vermissen ließ. Das ist vielleicht überhaupt das prägende Merkmal dieses Quartetts, dass es ganz klischeehaft nordisch kühl, locker und geradeaus spielt und atmet und der Zuhörer trotzdem mit den Musikern fiebert, das Beste aus dem Werk herauszuholen.
Das abschließende Brahms Quartett folgte auch diesem Ansatz. Das hat bei diesem Werk durchaus seine Berechtigung, da es anders als die beiden Werke Opus 51 zwar auch einem Arzt gewidmet ist, aber von Brahms selber nicht als Zangengeburt angesehen wurde. Dieser leichtere Interpretationsansatz, wiederum ohne Spannungsverlust, kommt dem Werk durchaus zugute. Während andere Quartette hier gerne ordentlich Kraft ausüben, machten die Dänen es nonchalant. Auch wenn es wie ein Widerspruch klingt, das war sehr spannend.
Ganz anders als diese der Schönheit der Musik verpflichteten Werke ging es dann im dritten Quartett von Jörg Widmann zu. Seine ersten fünf Quartette kann man solitär, aber auch zusammen als ein Quartett aufführen und dann stellt jedes Quartett einen Satz des Ganzen dar. Das dritte vertritt die Position des Scherzos. Neben ausgefallenen Spieltechniken wie dem Streichen hinter dem Steg oder dem Luftfechten mit dem Bogen und irrwitzig schnellen Passagen erfordert dieses Stück den Einsatz des ganzen Musikers und seines Instruments. Etliche Bogenhaare mussten dran glauben. Und neben dem instrumentalen Spiel muss auch die Stimme zu Hilfe genommen werden, die sich in lauten Rufen entlädt bis zum Ende, an dem der weidwunde Cellist, inzwischen wurde aus der gemeinsamen Jagd eine der anderen drei auf das tiefste Instrument, mit einem ersterbenden Ruf das Werk zu Ende bringt. Diese zehn Minuten sind Parforceritt, Herausforderung und könnten auch als Haydn-Spaß bezeichnet werden. Wiederum schreibt Widmann Augenmusik, die nur im Konzert ihren vollen Charme entfaltet.
Vielleicht kann man anderen Formationen noch feinere Nuancierungen zurechnen oder andere Ausdrucksstärken, aber diese vier haben eine sehr überzeugende eigene Sprache gefunden, die ja auch noch entwicklungsfähig ist. Sie zeigten, dass man auch mit Zurückhaltung und Feinheit überzeugen kann. Man würde, um mit dem Klischee zu argumentieren, insbesondere den vollbärtigen rotblonden Mitgliedern an den tiefen Streichern sofort ihre Rolle als wilde Wikinger abnehmen, aber auch sie könneneben auch zartbesaitet.
Mit jugendlichem Elan geben sie noch eine Zugabe, die der Geiger Rune erschaffen hat. Die dreieinhalb Minuten ‘Shine You no More’ changieren zwischen irischem Ton, Perpetuum mobile und einfach guter swingender Musik. Die hektische Betriebsamkeit erscheint auch wie eine Jagdszene. Die vier Musiker sind nach wie vor Freunde, nicht nur Kollegen, und das spürte man auch bei ihrem Konzert. Bei ihrem Erstauftritt in Luxemburg haben sie, glaube ich, auch viele Freunde im Publikum gefunden, jedenfalls klangen der Applaus und die Beifallsrufe so.