Im Rahmen des Coronabedingt erst jetzt durchgeführten Red-Bridge-Projects mit diversen Werken von William Kentridge war die Philharmonie Luxemburg mit zwei Aufführungen von Il ritorno d’Ulisse beteiligt. Uwe Krusch war für Pizzicato dabei.
Wie der Titel schon andeutet, ist Grundlage dieser Produktion die Oper ‘Il ritorno d’Ulisse in patria‘. Kentridge hat sie entscheidend auf gut die Hälfte und auch im Titel gekürzt, aber die Musik und die wesentlichen Monologe und Szenen beibehalten. Gleichzeitig hat er die an anderen Projekten erprobte Anpassung an seine Ideen und die heutige Zeit vorgenommen, in dem er im Hintergrund der Bühne filmische Szenen ablaufen lässt, die Animationen seiner Kohlezeichnungen sind. Die agierenden Personen werden jeweils durch drei Protagonisten vertreten, nämlich einen Sänger, eine diesen repräsentierende Puppe und einen sichtbaren Puppenspieler, der mit Unterstützung des Sängers für den zweiten Puppenarm, die eigentliche schauspielerische Aktion ausführt.
Das einheitliche Bühnenbild mag an einen Medizinhörsaal früherer Jahre erinnern. Vor einem leicht erhöhten Halbrund, aus dem die Musiker vom Ricercar Consort die Musik Monteverdis mustergültig erklingen lassen, steht zunächst ein Seziertisch, allerdings als Krankenbett, auf dem die Odysseus-Puppe liegt und agiert, bewegt vom Animateur und gesungen vom Sänger, hier noch in der Rolle der menschlichen Gebrechlichkeit. Später wird das Bett auch in den Hintergrund geschoben und andere Beteiligte beleben den Vordergrund, über ‘Hörsaaltreppen’ oder von der Seite aus dem Off eintretend. Darüber erhebt sich die Leinwand für die Projektionen, die von Landschaften, die arkadisch griechisch, aber irgendwie teilweise auch südafrikanisch erscheinen mögen, über lange Gänge in Gebäuden bis zu ornamental rankenden Pflanzen und Personenskizzen reichen, die weitere Aspekte oder Kommentare zum Geschehen geben und es verdeutlichen oder differenzieren.
Dieses Zusammenspiel funktioniert mitreißend und zugleich einfühlsam. Die Möglichkeit, sich verschiedene optische Bezugspunkte zu suchen, bietet die Chance der Abwechslung oder auch Ablenkung, zugleich aber wirkt sie fokussierend. Die Kohlezeichnungen, allein schon wegen ihrer schwarz weiß Prägung, bieten eher, auch wenn die dichte Bildfolge den Prozess des Zeichnens und damit etwa das Gehen oder eine wachsende Pflanze zeigt, beruhigende und konzentrierende Eindrücke.
Die Trios aus Puppe, Spieler und Sänger verführen immer wieder zu einem wandernden Blick zwischen den Beteiligten, der aber oft an der Puppe und ihren erstaunlich starken Gesten hängen bleibt, die trotz ihrer Starrheit teilweise intensiver und überzeugender wirken, als es mit einem agierenden Menschen der Fall wäre. Vielleicht liegt das gerade in der fokussierten eingeengten Beweglichkeit. Damit verdienen die Puppenspieler höchstes Lob, da sie dem Geschehen auf der Bühne entscheidende Impulse vermitteln.
Das sensibel und durchgehend aufmerksam musizierende Orchester aus Gamben, Harfe, Gitarre und Theorbe vermittelt die Musik Monteverdis mit filigraner Feinheit und instrumentaler Intensität.
Die Riege der Singenden ist durchweg gut bis sehr gut besetzt mit leichten Einschränkungen in wenigen Nebenrollen. Kristina Hammarström, technisch untadelig, hat eine nicht allzu laute, aber gut nuancierende Mezzosopran.Stimme. Für die Penelope findet sie sowohl für die im Liebeskummer und in der Abwehr der Freier erstarrte, eher rezitativ sich äußernde Stimme ebenso die Mittel wie für die dann aufkeimend sich belebende Stimme derjenigen, die ihren Gatten erkennt.
Der Tenor Jeffrey Thompson gibt Odysseus, obwohl der üblicherweise als Held gesehen wird, eher als gereiften untadeligen Mann denn als auftrumpfenden Jüngling, was der Lebenssituation entspricht. Seine kraftvolle, gepflegte Stimme zeigt die Erfahrung des weit und lang Gereisten, der aber auch eine Königsrolle füllen kann. Er wird durch zwei fast identische Puppen vertreten, die eine auf dem Bett und die agierende im weiteren Verlauf.
Alle Beteiligten haben mehrere Rollen, zumeist Menschen- und Götterrollen, zu singen, bis auf Penelope. Jean-Francois Novelli, Antonio Abete und Anna Zander bieten als Freier neben ihrem guten Gesang auch eine Spur mitleiderregender Schwäche beim Spannen des Bogens.
Hanna Bayodi-Hirt als Amore und Minerva sowie Anna Zander, auch Fortuna und Melanto, sind stimmlich ausdrucksvoll und ebenso sorgfältig Agierende, die ihren Rollen Gewicht verleihen. Victor Sordo als Eurimaco u. a. komplettiert die Riege.
Mag man vorab vielleicht gezweifelt haben, ob die Bearbeitung von Monteverdi durch William Kentridge und die Erweiterung um Video und Puppen nicht zu einer Verzettelung und Ablenkung führt, so kann man beruhigt sagen, dass dieses nicht der Fall ist. Vielmehr kommt es sogar zu einer Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Bühne und die angebotenen Eindrücke. Da auch die Struktur des Werkes und mit der Musik der Kern dessen, was Monteverdi geschaffen hat, bleibt, bildet diese Auffrischung für unsere Zeit eine durchaus attraktive Möglichkeit dar. Das Publikum dankte mit lang anhaltendem Applaus.