Die Eröffnung der 16. Saison der Luxemburger Philharmonie wurde dank der hilfreichen Hände und Vorbereitungen in der Philharmonie aber auch von politischer Seite ein irgendwie auch schon ein bisschen normales Ereignis. Trotz nach wie vor bestehender Beschränkungen wegen der COVID19-Umstände konnten sich alle Anwesenden wieder an der Musik erfreuen. Uwe Krusch hat für Pizzicato erlebt, wie das Konzept jetzt aussieht.
Manche Vorgaben, die im Vorgespräch für die Presse von Jo Kox vom Kulturministerium und vom Generaldirektor der Philharmonie, Stephan Gehmacher, erläutert wurden, sind strenger als etwa in Deutschland, andere auch weniger einschneidend. So ist für die Musiker auf der Bühne ein Abstand zueinander von zwei Metern vorgegeben, wo etwa in Deutschland nur 1,5 m einzuhalten sind. Im Publikum dagegen wurde jetzt jede zweite Reihe besetzt und nur ein Sitz Abstand zwischen Fremden, wobei den Besuchern auferlegt war, während des ganzen Abends Masken zu tragen. Aber wegen der gegenüber dem letzten Saisonende engeren Besetzung im Saal wird so eher der Eindruck eines nicht ganz so gut besuchten Konzertes vermittelt und nicht die krankhafte Leere wie zu Sommerbeginn. Ob dieses Konzept Bestand hat, wird sich zeigen.
Dass trotzdem die frühere Normalität weit entfernt ist, erläuterte Gehmacher an der Programmgestaltung, die im Moment sozusagen auf Sicht, von Monat zu Monat immer am Beginn des Vormonats vorgelegt wird, um aktuelle Streichungen berücksichtigen zu können. Denn vielen Künstlern und insbesondere Orchestern ist es nach wie vor nicht möglich, überhaupt oder weit zu reisen. In einer Branche, die üblicherweise auf Jahre im Voraus plant, ist das ungewohnt. Der musikalische Direktor Gustavo Gimeno konnte Schmankerl aus der Probenarbeit beisteuern. So zieht die Distanz der Musiker zueinander nicht nur Probleme im Zusammenspiel und deshalb ausgleichend eine größere notwendige Konzentration jedes Beteiligten nach sich, sondern zunächst eine höhere Probendisziplin, weil das Geschwätz mit Nachbarn schwieriger ist. Aber, so konnte Gimeno versichern, es würden schon neue Wege gefunden, alle Probleme zu überwinden.
Trotz aller Einschränkungen kann die Philharmonie aber auch wieder ein interessantes Programm bieten, das schon in den ersten Wochen Leckerbissen bietet. Dazu gehören sicherlich gleich das Eröffnungskonzert und zwei weitere mit dem Solisten Krystian Zimerman für die fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven, der Tenor Benjamin Bernheim, der sicherlich immer für eine Überraschung gute Teodor Currentzis und vor allem auch Frank Peter Zimmermann, der Geiger.
Das Saisoneröffnungskonzert der Trilogie mit den Klavierkonzerten von Beethoven verfolgt diese Werkgruppe chronologisch, was sich im Beginn mit dem zuerst geschriebenen und als Nummer 2 katalogisierten Konzert in B-Dur manifestiert. Zur Zusammenarbeit mit Zimerman hatte Gimeno vorab auch ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert und durchsickern lassen, dass sich der gemeinsame Weg zur Aufführung recht spontan gestaltet hatte, da Zimerman keine Vorgaben machen wollte, sondern eine sich gegenseitig befruchtende Probenarbeit vorgeschlagen hatte, in der beide Seiten ihre Ideen im Spiel einbringen und sie aufeinander reagieren. Das Ergebnis für die beiden ersten Konzerte, neben dem genannten auch das C-Dur Werk, konnte sich dann sehr gut hören lassen. War in Printmedien zu lesen, dass Zimerman und Nelsons im Gewandhaus durchaus Schwierigkeiten hatten, miteinander klar zu kommen, so waren Gimeno und das OPL hier dichter bei Zimerman und andersherum. Wenn es denn momentane Abschweifungen und Hakeleien gab, so mochte man diese auch den Umständen der Situation zuschreiben.
Zimerman, äußerlich sehr entspannt wirkend, stellte die beiden Konzerte mit einem fein eleganten Spiel, das mehr auf die Vorgeschichte, also Mozart verweist als auf den Titanen Beethoven dar. Wobei das Titanenbild heute auch mancherorts hinterfragt wird. Sicherlich sind die beiden Erstlingswerke auch mehr dem Vorbild verbunden als die folgenden Werke. Insofern mag man da auch mit Spannung die Entwicklungen in den folgenden Konzerten erwarten. Hier jedenfalls ließ der Solist es eher perlen, als dass er auftrumpfte. Dabei erwies sich Zimerman immer wieder als gestaltender Pianist, der Tonketten nicht mechanisch abwickelt, sondern gestaltet, was manchmal auch kurze Irritationen auslöste. Im Ganzen stellten sich die beiden Konzerte in dieser Konstellation als wach und aufeinander zugehend erlebbare gestaltete Deutungen dar, die einen, vorab im Pressetermin als Legende eingeführten Pianisten ersten Ranges zeigten, der den Moment leben lässt und sicher nicht sein Programm einfach abspult. So darf der Einstieg in die Saison gerne erklingen.
Neben diesem Gestaltungsstrang der Klavierkonzerte von Beethoven steht der zweite, der COVID19 regelgerecht ausgeführt werden kann. Beethoven zählt zur Wiener Klassik und Gimeno kombinierte sie mit Werken der zweiten Wiener Klassik. Für den Auftakt bildeten 5 Sätze von Anton Webern in der Fassung für Streichorchester diese, ja soll man jetzt sagen Brücke zwischen den Konzerten oder eher den Trennstrich zum Ohrenputzen? Denn dieses musterhaft atonale, oder wie Webern es bevorzugt hätte, von Tonalität befreite Werk in kleinsten Höreinheiten bildet gegenüber der ersten Wiener Klassik einen veritablen Bruch, der wiederum auch den Reiz des Vergleichs ausmacht.
Bis auf einen verkalkten Zuhörer, der für diese gut zehn Minuten den Saal verließ, lauschte das Auditorium auch diesen Stücken mit der gleichen Aufmerksamkeit wie den beiden Solokonzerten. Trotz allem war Webern nicht Kürze allein entscheidend, sondern neben der Dichte, die durchhörbar bleibt, die Vielfalt der Klänge, welche durch extreme Differenzierung der Spielweisen erreicht wird. Geboten wurde eine die Feinheit und Zerbrechlichkeit gestaltende Version. Manches drang ans Ohr des Zuhörers, was fast unsicher und forschend wirkte. Der Vorteil dieser Sicht ist eben genau die Durchleuchtung in kleinste Details.
Dass auch andere, noch namhaftere Orchester wie die Philharmoniker aus Berlin und Wien ihre Erfahrungen mit der neuen Normalität machen mussten, war auch der Presse zu entnehmen. Und dass sie dabei unterschiedlich erfolgreich waren. Denn nicht nur die weitgespannte Sitzordnung, sondern auch das deutlich weniger zahlreiche Publikum gibt jedem Saal eine andere Akustik, die es zu gestalten gilt. In Anbetracht aller dieser Umstände gelang in Luxemburg eine verheißungsvolle Eröffnung, die jeden Interessierten aufatmen lässt, dass es endlich weiter geht.