Am Montag fand im Rahmen der Camerata-Reihe der Solistes Européens Luxembourg ein ganz besonderer Liederabend statt. Der Kammermusiksaal der Philharmonie war so gut wie voll, und das Publikum erlebte ein Konzert, das auch bei unserem Mitarbeiter Alain Steffen sowohl durch das wirklich ganz außergewöhnliche Programm wie auch durch die musikalische Interpretation einen nachhaltigen Eindruck hinterließ.
Die luxemburgische Sopranistin Noémie Sunnen, die seit 4 Jahren durch die Charkot-Krankheit, einer seltenen neurodegenerativen Erkrankung der Muskeln und Nerven, auf einen Rollstuhl angewiesen ist, hatte ein Programm zusammengestellt, das alle bekannten Pfade verließ.
In der ersten Hälfte des Konzerts hörten wir ausschließlich Lieder von Komponistinnen, u.a. von Pauline Viardot-Garcia (1821-1910), die ebenfalls Opernsängerin, Pianistin und Pädagogin war, bei Franz Liszt studierte und mit Clara Schumann musizierte. Ihre Lieder waren eigentlich dazu bestimmt, die Stimmkapazitäten ihrer Schüler zu entwickeln, wurden aber von Liszt sehr hoch eingeschätzt.
Poldowski, deren eigentlicher Name Régine Wieniawski war (sie war die Tochter von Henryk Wieniawski), benutzte dieses Pseudonym, um in ihrer Zeit als Komponistin nicht als Frau erkannt zu werden. Ihr Stil ist stark von Debussy, Ravel und Fauré beeinflusst. Dritte im Bunde war die luxemburgische Komponistin Lou Koster, deren Werke starke Musik sind und hier zu Recht auf dem Programm standen. Noémie Sunnen erwies sich als exzellente Interpretin, die es verstand, den teils impressionistischen, teils spätromantischen Stil dieser Lieder in ihrem Vortrag sehr deutlich zu machen. Zudem war ihr Gesang sehr textgenau und spiegelte die diversen Stimmungen sehr gut wieder.
Eine Entdeckung waren nach der Pause die Fünf Lieder op. 40 von Karl Weigl, die dieser ganz im postromantischen Stil, allerdings bereits mit starken Einflüssen der Moderne, für Sopran und Streichquartett komponiert hatte. Auch hier war Noémie Sunnen eine exzellente Interpretin, bei der Text und Musik auf gleicher Ebene behandelt wurden.
Osvaldos Golijovs (*1960) Lied How slow the wind war in meinen Augen kein gelungener Ausklang für dieses Konzert mit melancholisch-herbstlichen Liedern. Zwischen den einzelnen Zyklen spielte das Schengen Quartett Auszüge aus Antonin Dvoraks Les Cyprès B 152 und den Streichquartettsatz in c-Moll von Engelbert Humperdinck. Dieses Ensemble, das sich aus Torsten Janike, Rose Kaufmann, Sophie Urhausen und Anik Schwall zusammensetzt, besitzt eine erstaunliche Qualität, müsste allerdings öfters zusammen spielen, um eine natürliche Homogenität im Spiel zu erreichen. Für die subtilen und ausgewogenen Bearbeitungen jener Lieder, die nicht für Streichquartett komponiert waren, zeichnete ebenfalls Noémie Sunnen verantwortlich.