Zum meteorologischen Sommeranfang bot das Konzert des Chamber Orchestra of Europe in der Luxemburger Philharmonie zwei große und bedeutende Werke an, die beide auf ihre Art Abschiede vertonen. Wie diese Musik in dieser Jahreszeit eingebettet wurde, weiß Uwe Krusch.
Für die Gesangspartien bei Mahler waren Magdalena Kozena und Andrew Staples als Solisten dabei. Die Sänger ließen in Mahlers Das Lied von der Erde vergessen, dass dieses Werk ebenso gelungen ist, wie es auch ein Zwitter ist. Denn für Mahler war es die Umgehung der gefürchteten Neunten Symphonie, nach welcher der Tod des Komponisten folgt, so seine Angst. Aber es ist doch Symphonie oder Symphoniekantate wie es auch als Orchesterlied gehört werden kann. Das Ensemble ist mit bis zu 60 Mitgliedern eigentlich kein Kammerorchester mehr, eher ein mittelgroßes symphonisches Orchester. Rattle ließ dieses Werk von Mahler sehr durchdacht und eben mit Blick auf die kleinere Besetzung und auch die Begleitung der Singstimmen mit einem kammermusikalisch feinen Sinn spielen und bot damit nicht das Übliche an sinfonischem Großklang, der dem Werk gern mitgegeben wird. Das war eine hocherfreuliche Sicht, die mehr Feinheiten im Instrumentalen hören ließ und auch den Sängern eine leichtere Situation bot.
Dabei konnte das Ensemble seine in vier Jahrzehnten der Existenz erarbeitete Kompetenz in sorgfältigem Musizieren und gekonnter Formung des Ausdrucks glänzend zur Geltung bringen. Nicht nur die Bläser boten ein exzellentes Ergebnis, sondern auch die Streicher konnten mit silbrig glänzendem Aufleuchten und markant geformten Einsätzen ihre klangliche Eloquenz darbieten. Hier wurde Orchesterkultur vom Feinsten geboten, was bei der Vorgeschichte und mit dem dirigierenden Projektleiter nicht verwunderte.
Die Gesangspartien sind in dem Werk ein wenig ungleich zu Lasten des Tenors aufgeteilt. Wenn man bei beiden ihre Aussprache an diesem Abend nicht verstehen konnte, dann lag das an manchen Zuhörern, die beim Textmitlesen aus dem Programmheft möglichst laut und oft, nicht nur beim Umblättern, mit dem Papier Geräusche machen mussten. Der kleinere Part kommt der Tenorstimme zu. Andrew Stapels konnte hier trotz körperlich prägnanter Erscheinung und gelegentlich satter voller Stimme eine Vielfalt an sensiblen Ausdrucksnuancen erzielen. Magdalena Kozena hatte mit ihrem Mezzosopran die Altpartie übernommen, so dass sie mal wieder an der Seite ihres Ehemanns Simon Rattle auftreten konnte. Ihre Stimme war weniger auffällig, was das Volumen angeht. Sie zeigte aber eine vorzügliche Breite an Ausdrucksvariabilitäten und feinem Farbverständnis, das auch nicht durch das längere Orchesterzwischenspiel im letzten Satz, Abschied, geschwächt wurde. Ihre beinahe hager wirkende Erscheinung gibt einem solchen Text dann noch eine optische Komponente mit, die diesen Abschiedsmodus weiter unterstützt.
So durfte man eine kleiner ausgerichtete Sicht auf Das Lied von der Erde erleben, die mehr Farben und Subtilitäten hörbar werden ließ, dafür aber weniger orchestralen Glanz im Sinne eines lauten Auffahrens bot. Aber angesichts des Themas des Stückes bot diese Interpretation eine äußerst überzeugende Neugewichtung an, die zu hören eine Bereicherung war.
Zu Beginn des Konzerts hatten 23 Streicher des Chamber Orchestra of Europe, auch schon vom auswendig dirigierenden Simon Rattle geleitet, die Metamorphosen von Richard Strauss interpretiert. Die Freiheit ohne Pult bot Rattle gerade hier im kleinen Kreis auch die räumliche Möglichkeit, sich jeweils den Beteiligten zuzuwenden, deren zu spielende Sequenz gerade wichtig war oder auch einfach des markanten Dirigats bedurfte.
Diese vom Komponisten als Studie gekennzeichnete Komposition orientiert sich am Variationssatzformat, ohne ihm sklavisch zu folgen. Auch hier geht es um Abschied, aber auch quasi neue Perspektiven, wenn beinahe mit den Schlusstönen auf den Trauermarsch aus der Eroica von Beethoven Bezug genommen wird.
Bereits bei diesem Werk hatte man schon die hohen Qualitäten des Streicherapparates des Chamber Orchestra of Europe erfahren dürfen. Dennoch blieb, nachdem auch der Mahler erklungen war, der Eindruck in Erinnerung, dass das konstruierte Werk auch zu einem etwas unfreien Spiel geführt hatte, so dass der sinnliche Klang, wie er dann bei Mahler zu erleben war, bei Strauss nicht zum Tragen kam. Nicht, dass man den Breitwandklang früherer Jahre vermisst hätte, aber ein wenig mehr Opulenz und Aufblühen des Tones hätte nicht geschadet. So wirkte es ein wenig wie das Studieren einer Studie. Zwar gelangen eine hochdifferenzierte Durchdringung und ein feines Austarieren des wandernden Stimmgeflechts. Aber ein wenig mehr Freiheit des Klangs hätte noch ein Prise Reiz hinzugebracht.