Seit dieser Spielzeit ist Daniele Gatti der Nachfolger von Christian Thielemann bei der Staatskapelle Dresden. Und geht sofort auf eine Europatournee mit dem Orchester. Alain Steffen hat sich das Konzert vom Sonntag in der Luxemburger Philharmonie angehört.
Noch schneit es nicht, aber das wunderbare Klangemälde Ciel d’hiver der im Vorjahr verstorbenen finnischen Komponistin Kaija Saariaho, das das Konzert eröffnet, schafft ab dem ersten Takt magische winterliche Momente. Kein narrativer Charakter, keine plakativen Effekte sondern wunderbar sphärische Klänge, die alle Orchestergruppen solistisch mit einbeziehen, machen Ciel d‘hiver zu einem ganz besonderen Klangerlebnis und zeigen die filigrane Gestaltungskunst der Dresdner Staatskapelle auf schönste Weise. Daniele Gatti zeigt sich als unaffektierter, klar strukturierender Dirigent mit einen enormen Gespür für die Farben und Zwischenklänge dieser außergewöhnlichen Musik.
Außergewöhnlich ist auch das Violinkonzert von Robert Schumann, ein Werk, das auf den ersten Blick recht sperrig und unentschieden daherkommt. Doch je öfter man dieses Werk hört, umso schlüssiger wirkt es. Cara Schumann, Josef Joachim und Johannes Brahms haben es ja bei seiner Entstehung als das Werk eines Geisterkranken gesehen und es unter Verschluss gehalten, bis die Nazis es 1937 gegen den Willen der Familie in einer Fassung von Paul Hindemith trotzdem aufführen ließen. Frank Peter Zimmermann und Daniele Gatti haben sich in dem erstaunlich langsam konzipierten Finalsatz für eine etwas schnellere und somit einfach zu hörende Interpretation entschieden. Zimmermann begeistert mit einem enorm klaren und strukturierten Spiel, das aber niemals vor den großen Emotionen des 1. und 2. Satzes haltmacht. Gatti und die Staatskapelle Dresden steuern einen sehr runden romantischen und typischen Schumann-Klang bei, so dass dieses oft vernachlässigte Violinkonzert doch am Schluss irgendwie an Überzeugungskraft und Expressivität gewinnt. Als Zugabe spielt Zimmermann dann noch Schuberts Erlkönig in der Fassung für Solovioline von Heinrich Wilhelm Ernst (1814-1865), und das überragend.
Nach dem innerlich zerrissenen Violinkonzert von 1853, dem letzten Orchesterwerk des Komponisten, das ohne Zweifel auf Schumanns geistigen Verfall hindeutet, erklingt nach der Pause die durch und durch optimistische 2. Symphonie aus den Jahren 1845 und 46. Schumann befand sich gerade wieder in einer Depression und konnte diese dank dieser wunderbaren Symphonie (mit Einflüssen resp. Zitaten von Bach und Beethoven) überwinden. So erklingt im letzten Satz, diesem einmaligen strahlenden Finale das Motiv der Melodie ‘Nimm sie hin, denn diese Lieder, die ich Dir Geliebte sang“ aus Beethovens Liederzyklus ‘An die ferne Geliebte’ als Danksagung und Liebesbezeugung an seine Frau Clara. Gatti und Staatskapelle Dresden geben sich auch hier dem romantischen Gefühl und Gefüge dieser Symphonie ganz hin, ohne wirklich neue Aspekte zu suchen. Das ist alles sehr klassisch, aber ungemein schön. Das Orchester spielt atemberaubend, Gatti lässt immer wieder Nebenstimmen und Klangfiguren aus der Musik auftauchen und setzt oft melancholisches Empfinden, zwanghafte Ruhelosigkeit und allesumspannenden Optimismus neben- oder nacheinander, ohne dabei den natürlichen Fluss der Musik zu auszubremsen. Der Applaus hält sich am Ende in Grenzen, doch die Staatskapelle und ihr neuer Chefdirigent spielen das Scherzo aus Mendelsohns Sommernachtstraum als Zugabe. Und auch in diesem Stück bestätigt das Orchester sein exzellentes Gespür für die deutsche Romantik. Ein rundum schöner Konzertabend, nicht mehr, aber auch nicht weniger.