Große Solisten können entweder mit aufsehenerregend wirkungsvollem Auftritt oder mit feinem sensiblem Spiel ihre Meisterschaft herausstellen. Welchen Weg Sol Gabetta mit dem Kammerorchester Basel beim Cellokonzert von Schumann wählte, hat Pizzicato Mitarbeiter Uwe Krusch erlebt. Und wie das Orchester mit Giovanni Antonini auf dem Dirigentenpult den Weg durch den Abend gestaltete, darüber kann auch berichtet werden.
Um damit anzufangen, was Orchester und Dirigent darboten, so eröffneten sie den Abend vor dem Schumann-Konzert mit einem weiteren Werk dieses rheinischen Komponisten, nämlich seiner Ouvertüre zu ‘Hermann und Dorothea’. Nach einem kurzen Moment des Eingewöhnens und zueinander Findens entwickelten die Musiker ihre charakteristische Sprache aus kammermusikalischer Feinheit mit teils historisierendem Instrumentarium. Gerade eine kleine Besetzung zeigt die dezidierte Herangehensweise und klare Durchhörbarkeit der Instrumentation bei Schumann, die früher bei Aufführungen von Orchestern mit riesigem Orchesterapparat und modernen Instrumenten nicht nachvollziehbar war. Die Darbietung der kaum einmal auf dem Spielplan zu findenden Ouvertüre gelang dann insgesamt sehr fein ausmusziert, ohne einen allzu betörenden Eindruck beim Publikum zu hinterlassen.
Nach der Pause stand ein weiteres kaum im Mittelpunkt stehendes Werk auf dem Plan, wenn auch der Komponist Beethoven natürlich zu den häufig zu hörenden gehört. Seiner Ersten Symphonie mag vielleicht der Ruch anhaften, dass sie noch kein richtiger Beethoven sei. Aus heutiger Sicht bzw. Hörgewohnheit lässt sich das sicher leicht sagen. Aber für zeitgenössische Ohren bot diese Musik schon so viel Unerhörtes, dass sie ein revolutionäres Ausrufezeichen setzte. Aber auch die andere Sichtweise hat Recht, denn vor allem in den ersten beiden Sätzen steckt noch sehr viel Haydn. Das kam auch in der Interpretation des Abends deutlich zum Vorschein, die ganz auf diese klassische Weise an das Werk heranging und lediglich Tupfer à la Beethoven in die Gestaltung einwarf. Erst die beiden letzten Sätze sind dann schon der Beethoven, wie er geliebt wird. Hilfreich für diese Deutung mag das Projekt von Giuseppe Antonini sein, bis zum Jubiläumsjahr 2032 alle Haydn-Symphonien mit seinem Orchester ‘Il Gardino Armonico’ einerseits und eben dem ‘Kammerorchester Basel’ andererseits aufzunehmen.
Die enge Verbundenheit und Vertrautheit der Beteiligten miteinander schuf eine beispielhaft engagierte und ausgefeilte Interpretation dieses Erstlingswerks. Doch auch hier ließen Unterschiede in der Durchdringung heraushören. Die Ecksätze waren rasant und zugespitzt in ihrer Aussage. Das Scherzo, hier noch als Menuetto betitelt, wirkte dagegen ein wenig farblos und uninspiriert. Den besten, geradezu fantastischen Eindruck hinterließ das Andante cantabile con molto, das mit einer wunderbar ausformulierten Tiefe und Farbpalette alle Instrumentalisten glänzen ließ. Auch die Zugabe des Orchesters, der Finalsatz der vorletzten Symphonie zeigte die Möglichkeiten des Ensembles gekonnt auf.
Dass das Kammerorchester Basel überhaupt zu so einem homogenen und intensiven Spiel fähig war, konnte manchem fast als Mirakel erscheinen. Denn Antonini gibt zwar punktgenaue Einsätze und Markierungen. Aber insgesamt stürzt er sich mit theatralisch nennbarem Ganzkörpereinsatz in die Darstellung der Effekte und Stimmungen der Musik, ohne Wert darauf zu legen, den Takt zu schlagen. So ist es einem Zuhörer, auch oder gerade wenn er selber aktiv musiziert, nicht ohne weiteres möglich, diese Exerzitien zu deuten, wie er danach sei Instrument führen sollte. Das war schon rein optisch spannend, aber es führte eben auch zu einem mitreißenden Erlebnis, wenn man auch nicht genau weiß, wie.
Im Mittelpunkt stand natürlich bei einem Konzert aus der Reihe große Solisten Sol Gabetta mit dem Schumann Konzert. Ein Nachteil häufig gespielter Werke und dazu gehört dieses, ist es, dass man es immer schon mehrfach gehört hat und damit vielleicht auch eine Lieblingsauslegung im Ohr. Da hat es jeder Solist schwer, wieder einen Weg zu finden. Gabetta wählte eine sehr zurückgenommene Herangehensweise, die in keinem Moment das Virtuose, was in diesem Stück sicherlich auch gar nicht angelegt ist, heraus zu kitzeln versuchte, sondern mit feiner und feinster Differenzierung ihre Sicht darlegte.
Die sitzende Position des Cellisten und die aufgrund der tieferen Stimmlage geringere Ausstrahlung erfordert ausgereiftes Spiel und kann durch geschickte Hilfen, wie das genutzte Klangpodest und eben die Beschränkung auf ein Kammerorchester in der Begleitung erheblich dazu beitragen. Andererseits hilft natürlich einmal mehr die äußerst geschickte Instrumentation von Schumann, die die orchestralen Mittel so sparsam und trotzdem wirkungsvoll dosiert, dass das Cello mühelos zu hören ist.
Alle diese Zutaten zusammen ergaben eine intime Interpretation, die wiederum im langsamen Satz ihre größte Zauberkraft entfaltete. Gabetta entpuppte sich als Verführerin mit den vielen Farben und Nuancen, die bis ins Impressionistische eines Debussy führten. So gestaltete sie im letzten Satz die weniger abwechslungsreiche Textur durch verschiedene Herangehensweisen attraktiv. Wer einen Parforceritt, wie ihn andere Solisten bei diesem Werk hinlegen, erwartet hatte und vielleicht deswegen nicht so feinfühlig zuhörte, wurde dementsprechend enttäuscht. Den anderen hat es sensibel gewürzt gemundet.
Das schon im langsamen Satz des Schumann Konzerts angelegte Zusammenspiel der Solistin mit dem Solisten des Orchesters fand eine Fortsetzung in der Zugabe. Das weit schwingende, quasi als Wiegenlied wirkende ‘El cant dels ocells’, also das Lied der Vögel von Pau Casals, des großen katalanischen Cellisten, international bekannter unter der spanischen Version Pablo Casals, zeigte die vierköpfige Gruppe der Cellisten des Orchesters als Leinwand, auf der Sol Gabetta ihre Pastellfarben ausbreiten konnte.