Literarische Sujets haben schon immer auf Komponisten ausgestrahlt und auch andersherum gab es Beeinflussungen. Wie Shakespeare Verse und englische Musik aus Renaissance und Barock aufeinander wirkten, zeigten Anna Prohaska und die ‘Akademie für Alte ‘ aus Berlin auf. Für Pizzicato lauschte Uwe Krusch.
Der das Konzert einleitende Film ‘Die Fabelwelten der Anna Prohaska’ beleuchtete mit Kostproben ihres Gesangs und vielen Szenen aus ihrem Alltag in Berlin und einem Interview die Künstlerin und die Person. Danach mag man manches als widersprüchlich deuten oder vielleicht besser als vielfältige Facetten einer jungen Künstlerin, die Augen und Ohren offen hält und nicht auf eine Richtung festgelegt ist. Genau so weit, wie ihre berufliche Aufgabenstellung ist, nämlich Gesang, Schauspielerei, Tanz und heutzutage natürlich auch das Erscheinungsbild zu vereinen, genau so vielfältig ist ihr (Musik-) Geschmack. So bezeichnet sie sich selbst als Nerd für Science Fiction wie ‘Star Wars’, mag etwa auch Qntal und natürlich die üblicherweise als E-Musik bezeichnete Gattung, wie sie sie danach im Konzert darbot. Dabei konnte man durchaus erahnen, mit welcher Intensität und Hingabe sie sich jeweils dem Thema widmet.
Die 16 Solisten der ‘Akamus’, wie sie sich selbst nennen, waren im Kammermusiksaal locker über die gesamte Bühne gruppiert und ließen nur vorne Platz für einen Bistrotisch und den üblichen Solistenplatz in der Mitte der Orchesters. Diesen Freiraum bespielte die Sopranistin mit deklamierten Versen von Shakespeare und ihren Gesangsdarbietungen. Ihre Darstellungen insbesondere bei Shakespeare kann man durchaus als halbszenisch oder vollmimisch bezeichnen. Insbesondere das Farewell aus ‘Romeo und Julia’ gestaltete sie mit geradezu herzzerreißender Rezitation und Gestik.
Mit instrumentalen Suiten von Blow, Purcell und Locke/Weldon sowie einer Reihe von Liedern, die sie mit Anna Prohaska zusammen vorstellten, zeigte das Ensemble alle Möglichkeiten seiner künstlerischen Gestaltungsbreite. Geleitet vom Konzertmeister Georg Kallweit ist jeder ein Solist im Ensemble und trägt durch seinen persönlichen Beitrag zum Klang bei. Trotzdem darf man einige aus dem Kollektiv herausheben, die in diesem Programm besonders intensiv gefordert waren.
Neben den jeweiligen Sologeigen und Bratsche hatte die Cellistin Katharina Litschig, wie in der Barockmusik üblich, einen wesentlichen Part in der Gestaltung des Continuospiels, den sie exzellent formulierte. Mit einigen Soli auf Flöte bzw. Oboe konnte auch Xenia Löffler ihre instrumentale Beherrschung beisteuern. Meist im Hintergrund fügte Michael Metzler seine abwechslungsreichen Perkussionsbeiträge hinzu, die durch verschiedene Instrumente mit zahlreichen Spieltechniken immer für ein Hinhören gut waren, bis er zum Schluss sogar noch vor dem Orchester einem Zauberkünstler gleich mit Kastagnetten ähnlichen Hölzern brillieren konnte.
Bezaubernd war auch das Spiel von Miguel Rincon Rodriguez auf seiner Basslaute bzw. der Gitarre. Die dichte und äußerst sensibel gestaltete Art seines Lautenspiels brachte das Publikum dazu, wie gebannt seinen Soli zu lauschen. Doch auch im Ensembleklang sparte das Akamus nicht mit vorbildlich artikulierten und schattierungsreich gestalteten Darbietungen. Dabei pflegen sie durchaus ein farbenfrohes und fleischiges Spiel, das trotzdem der historischen Spielpraxis gerecht wird.
Natürlich hatte der Abend auch eine Dramaturgie, die neben aufbrausenden Stücken auch Ruhepunkte zu bieten hatte. Die Texte befassten sich vor allem mit der Musik und der Liebe, also großen Themen, die auch im Zentrum der Werke Shakespeares stehen. Prohaska bewältigte den Spagat, den Text sowohl nah an den Ausspracheregeln der Renaissance als auch nach heutigen Gesichtspunkten zu gestalten, um so das Verständnis zu ermöglichen.
Denn auch einem englisch Sprechenden ist das Englisch der Shakespearezeit nicht geläufig; umso mehr muss einem ungeübten Ohr geholfen werden. Die Deklamation der Sprechtexte gelang vorzüglich, die gesungenen Passagen waren geringfügig schwieriger zu verfolgen. Der Gesang von Anna Prohaska war ein einziger Genuss. Ihre nach eigener Aussage nicht allzu große, für Wagnerpartien ungeeignete Stimme, vermochte mit der Leichtigkeit des Schlages eines Schmetterlingsflügels den Kammermusiksaal der Philharmonie zu füllen, aber auch zurückgenommene Passagen konnte sie intensiv erfahrbar machen. Überhaupt zeichnete sich ihr Gesang durch Gestaltungsreichtum und Nuancierungskunst aus.
Aus ihrer langjährigen Verbundenheit mit ‘Akamus’, sowohl künstlerisch als auch inzwischen persönlich, ist eine enge Bindung gewachsen, die Ensemble und Solistin zu einer Einheit verschmilzt, die intuitiv die musikalischen Gedanken der anderen versteht und fortspinnt. So entstand ein faszinierendes Konzerterlebnis, wie es die Philharmonie auch nicht oft zu bieten hat. Wahrscheinlich wäre bei diesem Programm auch derjenige vorbehaltlos begeistert, der sein Hören auf museale Musik beschränken möchte und neuere Töne ablehnt. Aber vielleicht wäre dem dann beispielswiese auch die variantenreiche Perkussion ein Dorn im Ohr, die am Beginn der Wiederbelebung der historischen Aufführungspraxis und selbst heute nicht überall so auffällig und vielgestaltig geboten wird. Langanhaltender Applaus belohnte die Künstler für eine rundum fantastische Aufführung. In diesem Sinne ist auch die Überschrift aus Shakespeares ‘If music be the food of love’ zu verstehen, davon kann man gar nicht genug bekommen.