Der russische Pianist Daniil Trifonov war zu Gast in der Luxemburger Philharmonie. Auf dem Programm standen Werke von Ludwig van Beethoven, Robert Schumann und Serge Prokofiev. Alain Steffen zeigt sich begeistert.
Dass kometenhaften Karrieren nicht unbedingt für musikalische Ausnahmequalität verbürgen und dabei mediatisierte Schaumschläger wie Lang Lang hervorbringen, dürfte allgemein bekannt sein. Daniil Trifonov, der sich in den letzten Jahren einen Spitzenplatz unter den Pianisten der Gegenwart erobert hat, ist aber alles andere als ein Blender. Dieser ist Pianist ist ganz einfach ein Phänomen und vielleicht der genialste Pianist, den ich in den letzten Jahren gehört habe. In der Philharmonie forderte er das Publikum regelrecht heraus…und erntete ‘Standing Ovations’.
Kein einziger Gassenhauer wurde gespielt, dafür aber das Andante F-Dur und die Sonate Nr. 18 von Beethoven, die ‘Bunten Blätter’ op. 99 und der 4. Satz aus der 2. Klaviersonate von Robert Schumann sowie die sperrige 8. Klaviersonate von Serge Prokofiev.
Trifonov begann das Konzert mit wundervoll leichtem Ansatz, fast schwebend entwickelte sich das Andante und ging nahtlos in die überaus charmante Klaviersonate Nr. 18 über. Der russische Pianist folgte keiner Modeerscheinung, seine Interpretation blieb somit eigentlich schwer zu fassen, weil man sie stilistisch nicht so recht einordnen konnte. Und gerade das ist die Stärke von Trifonovs Kunst. Er lebt und spielt die Musik aus ihrem Kern heraus. Quasi intuitiv spürt er die wesentlichen Merkmale auf, die Akzente sind unauffällig, aber präzise, der Atem, die Balance, der Klang, alles fügt sich zu einem wunderbaren Ganzen.
Auch sein Schumann überraschte. Die ‘Bunten Blätter’, eigentlich ein Sammelsurium aus 14 nicht klassierten Miniaturen, besitzen an sich keinen roten Faden, sondern sind lose aneinandergereihte Klavierstücke. Trotzdem bringt Trifonov es fertig, all die kleinen Stücke durch seine erstaunlich extrovertierte Interpretation und einen gemeinsamen Gestus zu einem Zyklus zu verbinden. Dabei erweist er sich als ein Meister der Schattierungen, der Virtuosität und der Expressivität.
Nach dem ersten Konzertteil, der tatsächlich 73 Minuten dauerte, folgte dann als sogenannter ‘Solitaire’, die 8. Klaviersonate von Serge Prokofiev. Nach seinen eher expressiven, musikantischen und extrovertierten Beethoven- und Schumanninterpretationen erlebte man hier einen ganz anderen Trifonov. Statt melodischem Fluss und quasi improvisierter Leichtfüßigkeit folgte ein sehr klar artikulierter, architektonischer Prokofiev. Es war atemberaubend zuzuhören, wie Trifonov diese komplexe Sonate aufbaute, wie er in den beiden Andante-Sätzen die Noten voneinander absetze und kubistische Klangformen mit Farbe ausfüllte. Atemberaubend auch die Intensität, die seine klare, analytische und auf Transparenz aufgebaute Interpretation entfachte.
Das war nicht nur große Klavierkunst, das war das Zeugnis eines musikalischen Genies. Der tosende Applaus, der anschließend auf Trifonov hereinbrach, war mehr als gerechtfertigt. Trifonov bedankte sich in aller Bescheidenheit zum Abschluss mit einer seiner Lieblingszugaben, der Gavotte aus der 3. Partita für Solo-Violine von J.S. Bach, in der Bearbeitung von Serge Rachmaninov.
Eine CD-Rezension zu Trifonovs letzter Schallplatte finden Sie hier.