Für Brahms eröffneten ihm seine Sextette die Möglichkeit, mit kammermusikalischen Mitteln geradezu symphonische Klangwelten zu eröffnen, die dann auch wieder von der Klarheit der Kammermusik abgelöst werden. Wie die Solisten dieses Abends, gehört im zweiten Auftritt des Tages, diese beiden Seiten der Musik zueinander setzen konnten, kann Uwe Krusch für Pizzicato berichten.
Als musikalischer Frühlingsgrüß ist das erste Streichsextett von unmittelbar einnehmender Wirkung, die auch in rheinische Gefilde entführt. Denn der 27-jährige Komponist hat es im Frühling 1860 während einer Rheinreise komponiert und so lässt sich die Inspiration durch die lieblich blühende Landschaft des Rheintals bei Bonn nachvollziehen. Mit üppigem Streicherklang entfaltet Brahms eine Farbenpracht, die in ihrer Melodienseligkeit und tänzerisch-schwingender Lebensfreude beinahe einzigartig in seinem Schaffen dasteht.
Bei diesem jahreszeitlich passenden Einstieg trafen die sechs Musiker den beschwingten Ton, der keine schweren Gedanken an Brahms, wie sie sonst manche Menschen empfinden, aufkommen ließ. Immer wieder in Teilbesetzungen aufgefächert, entfalten sie einen Strauß an Farben. Dabei gelang es ihnen, die Größe des Klangs voll zu entfalten, ohne harsch oder großspurig zu werden. Immer hielten sie auch in symphonischen Phasen einen genussvoll edlen Ton, der den zarten Charakter der Kammermusik wahrte und doch auch die gesamte Entfaltung orchestraler Eindrücke erlaubte.
Die beiden Gäste des Belcea Quartets tauschten vom einen zum anderen Sextett ihre Plätze mit den ständigen Quartettmitgliedern. Insbesondere im ersten Quartett entwickelten Tabea Zimmermann und Krzysztof Chorzelski im B-Dur Sextett innerhalb der Gruppe ein nicht nur ein die optische Mitte bildendes Duo, sondern auch ein besonders aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel, dass durch seine Intensität auch ein Energiezentrum bildete. Queyras als Cello Gast trat dagegen weniger auffällig in Erscheinung. Aber auch dieser außerordentliche Künstler machte sich zum integralen Bestandteil des Ensembles. Das geschah so entspannt gelöst, dass er wie ein ständiges Ensemblemitglied in der Gruppe aufging.
Das Streichsextett Nr. 2 aus dem Jahr 1864 entstand, als er Clara Schumann in der Nähe von Baden-Baden besuchte. Das eröffnende Allegro non troppo schafft eine Atmosphäre von Geheimnis und Unsicherheit. Später steigert sich die Musik in ihrer emotionalen Intensität, da Brahms ein Thema auf den musikalisch möglichen Buchstaben des Vornamens von Agathe von Siebold basiert, so wie noch später auch ein Anklang an Clara Schumann schafft. Hier steht das Scherzo an zweiter Stelle. Es schwankt zwischen Melancholie und dezentem Humor. Das zentrale Trio macht einen berauschenden Ausflug und stapft in der Art eines Ländlers vorwärts. Der folgende Variationssatz über eine traurige Melodie. Das reich fugierte finale Poco allegro ist von positiver Natur und steigert sich zu einem brillanten Schluss.
Diesen anderen Charakter konnten das Belcea Quartet, Tabea Zimmermann mit der Bratsche und Jean-Guilhen Queyras am Cello ebenso überzeugend dem Publikum vermitteln wie beim ersten Sextett, was bei der geheimnisvollen und vagen Stimmung des zweiten Werkes herausragende Interpretationen seitens der Interpreten voraussetzte. Erst im Finale entfaltete die Komposition zugänglichen Charme, der in einem brillanten Schluss mündete.
Die sechs Musiker verbanden elegantes und ausdrucksstarkes Musizieren mit austariert feinem Zusammenspiel, das durch gegenseitig beeinflussende Inspiration und aufmerksames Miteinander zu einem eindrucksvollen Konzert führte.
Mitunter kann man auch positive Aspekte der Corona-Umstände sehen. Die Fokussierung auf zwei Werke gleicher Art eines Komponisten ohne ablenkende Umstände eröffnete einen intensiven und in die Tiefen der Musik eindringenden Blick, der durch so eine hochqualitative Interpretation verstärkt wurde.