CDs entstehen meistens in einer optimalen Studiosituation und wir erleben die Werke in nahezu makelloser musikalischer Qualität. Und es ist gewusst, dass dabei viele verschiedene Takes zusammengesetzt, Fehler oder Geräusche herausgeschnitten werden und dass auch die Tontechnik oft korrigierend eingreift. Wer aber ins Konzert geht, das ist jedenfalls die Meinung unseres Mitarbeiters Alain Steffen, der geht wegen des Live-Erlebnisses dorthin. Er mag hören und sehen, wie die Musiker untereinander und miteinander kommunizieren, wie sie dialogisieren und sich die musikalischen Bälle zuwerfen.
Für die Pianistin Yuja Wang und den Geiger Leonidas Kavakos, die zu den Publikumslieblingen der einheimischen Musikszene gehören, hatte man das Kammermusikkonzert in den großen Saal der Philharmonie verlegt und somit vielen Musikfreunden die Gelegenheit gegeben, an diesem Musikereignis teilzuhaben. Besonders gespannt war man natürlich auf das Aufeinandertreffen dieser beiden vom Temperament her gegensätzlichen Persönlichkeiten. Auf der einen Seite, die überbordende Spiellust der exzentrischen und musikalisch begnadeten Pianistin Yuja Wang, die eine ebenso ernsthafte wie virtuose Gestalterin ist und gerne musikalische Grenzen auslotet. Auf der anderen Seite der subtile und souveräne Violinist Leonidas Kavakos, vom Typ her eher ein konservativer, verinnerlichter Interpret, der gerne der klassischen Linie im Sinne der musikalischen Tradition treu bleibt. Wang und Kavakos sind allerdings langjährige und wirklich aufeinander eingespielte Partner. Fast zu sehr, möchte man nach diesem Konzert meinen, denn von Kommunikationsfreude und Interpretationslust war an diesem Abend nichts zu spüren.
Auf dem Programm standen die Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 G-Dur von Johannes Brahms, die Violinsonate a-Moll von Leos Janacek und die 2. Sonate für Violine und Klavier d-Moll von Robert Schumann, drei an sich besondere und irgendwie untypische Werke. Die Brahms-Sonate ist ein eher schwelgerisches und melodiöses Werk, bei dem Brahms immer wieder mit überraschenden Wendungen, z.T. impressionistischen Klängen und diaogfreudigen Passagen arbeitet, dabei aber die Virtuosität der Instrumente komplett zurücknimmt. Grösste Expressivität und immer wieder unerwartete Ideen zeichnen die Janacek-Sonate aus, während die gewaltige Schumann-Sonate mit ihrem leidenschaftlichen und pathetischen Gestus, ihren ungewohnter Pizzicato-Einlage im 3. Satz und ihrer symphonischen Dichte für sich einnimmt. Trotzdem wollte der Funke an diesem Abend nicht so recht überspringen. Kavakos und Wang spielten natürlich hervorragend, aber das Ganze war so professionell und eingeübt, dass es schon wieder routiniert wirkte. Kommunikation gab es absolut keine. Weder Wang noch Kavakos hatten Blicke für einander, jeder spielte für sich und ein Gefühl des Zusammenmusizierens entstand in keinem Moment des Konzerts. Jeder schien die Gesten des andern hundertprozentig im Ohr zu haben, so dass die Musik einfach nur abgespult werden musste. Die einzige Interpretation, die mich halbwegs überzeugte, war die Janacek-Sonate. Während Kavakos und Wang bei Brahms und Schumann die Musik einfach laufen lassen konnten, waren bei Janaceks Sonate die Interaktionen und das aufeinander Hören ein Muss. Trotzdem vermisste man die Spannung, das Gefühl zwischen den beiden Musikern. Hörenswert waren allerdings die Zurückhaltung und die wunderbaren impressionistischen Klänge, zu denen Yuja Wang in den drei Werken fähig war, während dagegen der sonst großzügige und edle Bogenstrich von Kavakos erstaunlich spröde klang. Demnach ein routiniert-professionell gespieltes Konzert ohne richtige Seele und zu wenig angesichts dieser beiden hochkarätigen Musikerpersönlichkeiten.