Im Rahmen seiner Tournee hatte das Gewandhausorchester in der Luxemburger Philharmonie gleich zwei absolute Klassiker der Musikliteratur auf sein Programm gesetzt, Ludwig van Beethovens 5. Klavierkonzert und die 4. Symphonie von Johannes Brahms. Alain Steffen berichtet.
Am Pult stand der neue Chefdirigent des Orchesters, der lettische Dirigent Andris Nelsons, der momentan eine unglaubliche Karriere macht. Kein Zweifel, Nelsons gehört zu den interessantesten Dirigenten der Gegenwart. Kein Intellektueller wie Boulez oder Abbado, sondern ein Vollblutmusiker wie Mariss Jansons, der aus jedem Werk ein musikalisches wie musikantisches Glanzstück macht. Sein Beethoven war dann auch sehr dynamisch in den Ecksätzen, die Interpretation voller Drive, Innenspannung und Musizierlust. Der langsame Mittelsatz wurde wunderschön und fast elegisch ausmusiziert. Das bestens aufgelegte Gewandhausorchester folgte seinem neuen Chef mit Höchstleistungen an allen Pulten und irgendwie hatte man den Eindruck, als finde das Orchester wieder zu seinem einmaligen Traditionsklang zurück, den es während der Ära Chailly vermissen ließ. Der warme, erdige Orchesterklang mit seinen samtigen Streichern gepaart mit der Interpretationskunst eines Andris Nelsons, der das Orchester mit seinem ganzen Körper anfeuerte, machte dann auch aus dem 5. Klavierkonzert von Beethoven ein regelrechtes Klangerlebnis. Im Gegensatz zu dem vitalen Nelsons beeindruckte der Pianist durch seine fast stoische Ruhe.
Ohne eine Miene zu verziehen und mit einem Minimum an Aufwand bot Yefim Bronfam eine wahre Glanzleistung. Stilsicherheit, eine brillante Technik und ein atemberaubendes Gestaltungsvermögen ließen seine Interpretation zu einem musikalischen Hochgenuss werden. Hier stimmte einfach alles, Interpretation, Balance, Zusammenspiel mit dem Orchester.
Unter Andris Nelsons Leitung spielte das Gewandhausorchester nach der Pause eine überragende Vierte von Brahms. Nelsons drang tief in die Musik ein, riss sie auseinander, glättete dann wieder die Linien und entfachte hier sowohl Hölle wie auch Himmel. Der Dirigent scheute sich nicht, in die Extremen zu gehen, und man war überrascht, wie gut die Musik dieses offensive Dirigat aushielt, ja wie sie sogar daran wuchs. Ich muss lange zurückdenken, um solch einen allumfassenden Brahms gehört zu haben. Zwischen den emotional aufwühlenden Ecksätzen, einem teuflischen Allegro giocoso zelebrierten Nelsons und das Gewandhausorchester den langsamen 2. Satz mit einer Innigkeit, einer Schönheit und einer expressiven Schlichtheit, die so leicht nicht zu übertreffen sind und Nelsons als einen begnadeten Brahms-Interpreten ausweisen.