Musikalische Perfektion ist viel, aber nicht alles. Das wurde uns bei einem absolut perfekt gespielten, aber gähnend langweiligen ‘Weihnachtsoratorium’ unter der Leitung von Christoph Prégardien wieder einmal in Erinnerung gerufen, meint Alain Steffen in seiner Konzertkritik.
Die Musiker von ‘Le Concert Lorrain’ warteten mit einem in allen Hinsichten makellosen technischen Spiel auf und überzeugten mit herrlich gespielten Soli. Auch der vielgepriesene ‘Dresdner Kammerchor’ machte seinem Namen durch Intonationssicherheit und einem in allen Lagen schönen und homogenen Gesang alle Ehre. Und doch wusste die Interpretation der insgesamt vier (Nr. I, IV, V & VI) von sechs Kantanten des Weihnachtsoratoriums an keiner Stelle zu packen. Die Musik und der Gesang wurden mit der Neutralität und Genauigkeit einer Schweizer Uhr abgespult. Was fehlte, war die Emotion. Dirigent Christoph Prégardien hatte seine Musiker zwar fest im Griff und koordinierte Orchester und Chor auf meisterhafte Weise, doch in Sachen Ausdruck blieb die Interpretation hinter allen Erwartungen zurück; für mich persönlich war es die schwächste und langweiligste Aufführung eines Bachschen Chorwerks, die ich bis jetzt erlebt habe.
Prégardien, einer der besten Liedsänger seiner Generation, fungierte hier als Dirigent. Er beschränkte sich dabei auf einen rein akademischen Ablauf und forderte auch nicht mehr von seinen Musikern als nötig. Nun ja, als Sänger muss man ja nicht unbedingt ein großer Dirigent sein. Aber dann soll man wenigstens vorsichtig sein, welche Werke man dirigiert.
Lag es an diesem sterilen Interpretationskonzept oder hatten die Sänger Margot Oitzinger, Alt und Peter Kooij, Bass, die mit trüben und grantigen Gesichtern vor dem Orchester saßen, einfach keine Lust, an diesem Abend Bach zu singen? Die Sopranistin Joanne Lund dagegen nahm mit schönem Timbre und beseeltem Gesang für sich ein. Die beste gesangliche Leistung aber kam vom Tenor Markus Schäfer, der einen sehr überzeugenden und prägnanten Evangelisten interpretierte und neben Lunn quasi als Einziger den Rezensenten davon abhielt, ein Nickerchen an diesem ereignislosen Abend zu machen.