Chor und Orchester von Les Arts Florissants musizierten unter ihrem Gründer und ständigen Dirigenten William Christie in historisch informierter Lesart mit einer dem Urtext nahe kommenden Fassung das große Oratoriums Messiah von Georg Friedrich Händel. Wie diese Beteiligten und die fünf Solisten die Darbietung bewältigten, kann Uwe Krusch für Pizzicato berichten.
Man darf sagen, dass es bei den zweieinhalb Stunden Aufführungsdauer auch wenige Unachtsamkeitsmomente gab, die, mal im Chor, mal im Orchester, auftraten, die aber nicht wirklich Trübungen des Gesamteindrucks nach sich zogen. Denn die Gesamtdarstellung war so ausgefeilt, dass man als Zuhörer über die Kleinigkeiten hinweghören konnte. Auch die Frage, ob es denn immer der Messiah, wie er im englischen Original heißt, sein muss, darf man stellen und ob es nicht auch ein anderes Werk hätte sein können wie die gerade in einer Aufnahme erschienene Brockes-Passion. Wenn dann aber ein Konzert sich als ein erster Höhepunkt der Saison herausstellt, dann vergisst man gern die Anmerkungen.
Der schon 75 jährige Dirigent organisierte mit nimmermüde wirkender Aufmerksamkeit die Aufführung: Er erlaubte sowohl sich entspannt lyrisch entwickelnde Passagen als er auch die schnelleren Sätze mit flotten Tempi anging, die ein fordernd lebendig fließendes Spiel und Singen erlauben. Das Orchester nahm weitgehend mit großer Selbstverständlichkeit die Vorgaben von Christie auf und setzte sie mit Eloquenz und Farbpalette um. Auffallend allenfalls, dass die Bogenstriche innerhalb der Streicherstimmen durchaus unterschiedlich ausfielen, was nicht für einen einheitlichen Klangeffekt sorgte.
Der große Kammerchor mit zwei Dutzend Mitgliedern agierte mit wunderbarer Einheitlichkeit und eindeutiger Diktion. Punktuell drohte das Tempo zu hängen, aber dann war dieser Moment auch schon wieder vergessen.
Für die Solopartien hatte Christie vier Absolventen seiner Nachwuchsakademie sowie den Countertenor Tim Mead gebeten. Durch die Besetzung mit fünf Solisten für die vier vorgesehenen gelang Christie eine weitere Annäherung an die Ursprünge, da auch Händel so verfuhr und ebenso eine von der Abwechslung geprägte Tonlandschaft. Dabei wechselten sich zwei Soprane ab. Im Gesamteindruck fügten sich die fünf Stimmen zu einem abgestimmten Klang zusammen, auch wenn sie meistens nur einzeln auftraten. Alle nahmen sich nichts in ihrem Vermögen.
Emmanuelle de Negri hatte für den Rezensenten die Stimme, deren Timbre ihn persönlich am geringsten ansprach. Aber qualitativ konnte man bei ihr ebenso wenig bemängeln wie bei den anderen. Die Stimme von Katherine Watson wirkte etwas dunkler als die ihrer Kollegin. Beide Sängerinnen führten ihre Linien mit Wärme und Leichtigkeit. Der Countertenor Tim Meads vermied es, ins effektvoll Theatralische abzugleiten. Mit ausgewogener und gezügelter Stärke brachte er sich ein. Der Tenor James Way überzeugte mit unangestrengter Interpretation, die ebenso nicht den Affekt suchte, sondern dem biblischen Text folgend eher erzählenden als heldenhaften Charakter hatte. Der Bassist Padraic Rowan hatte innerhalb der Riege vielleicht die kleinste Stimme. Zumindest zeigte sein Gesang keine dicke Schwärze. Aber im Kontext war das angemessen und kein Nachteil.
So gab Christie mit aufs Detail gerichtetem und trotzdem immer die Linien im Auge behaltend mit seinem Dirigat dem Werk eine von vorne bis hinten durchdachte und durchgestaltete Form, die zu einem ersten Höhepunkt der Saison führte. Dazu beigetragen haben mag auch die als familiär vertraut empfundene Stimmung auf der Bühne, die die Aufführung wie ein harmonisches Familienfest erschienen ließ.