Ja, Vivaldi im Allgemeinen und die Quattro Stagioni im Besonderen gehen immer. Was Anne-Sophie Mutter und Mutter’s Virtuosi noch auf dem akustischen Menu hatten, weiß Uwe Krusch für Pizzicato zu berichten.
Die Virtuosi setzen sich aus jungen Musikern der Stiftung von Anne-Sophie Mutter zusammen, die von ihr ausgewählt werden und so den Musikbetrieb in der Praxis kennenlernen. Mit 13 Virtuosi war sie nun angereist. Dass sich die Meisterin dabei selber nicht schont, beweist so ein Konzert, bei dem sie nicht nur das Solo in den Jahreszeiten spielt, sondern auch bei allen anderen Werken die erste Geige.
Eröffnet wurde der Abend im Beisein des luxemburgischen Großherzogs mit dem zehnten Konzert aus dem Zyklus Estro armonico von Antonio Vivaldi. Dieses Konzert ist für vier solistische Geigen zum Orchester komponiert. Neben Mutter füllten diese Solorollen Ye-Eun Choi, Linus Roth und Agata Szymczewska. Dass dieses so wohlklingende Werk kein leichter Spaziergang ist und nicht mal eben so gespielt werden kann, wurde schnell deutlich. Sind doch die vier Soloparts mit allerlei Hürden gespickt, die volle Konzentration benötigen. Daran haben auch die Tutti-Spieler ihren Anteil, müssen auch sie die repetitiven schnellen Notenwerte im ambitionierten Tempo genauestens übernehmen. Das klappte sowohl in der Solistenriege als auch im Tutti hervorragend. Die Akkuratesse also war da.
Als zweites Werk kam eine Uraufführung zu Gehör, die die koreanische Komponistin Unsuk Chin für Anne-Sophie Mutter verfasst hat. Das Duo Gran Cadenza wurde von Mutter und Ye-Eun Choi dargeboten. Dieses mit Stolperfallen gespickte, zugleich aber auch virtuos und dezent neu klingende acht Minuten Werk entfaltete seine ganze Wucht und Pracht, so dass sogar das eher klassisch gestimmte Publikum ehrlich erfreut war. Mutter und Choi demonstrierten nicht nur die völlige Beherrschung ihrer Instrumente und Bögen, sondern auch, dass sie auch so ein Werk mit Esprit und Gestaltungscharme an die Zuhörenden zu bringen wissen.
Das neben den Quattro Stagioni längste Werk des Abends war das Quintett mit zwei Violinen, zwei Bratschen und Cello in Es-Dur KV 614 von Mozart. Mit Mutter und Choi an den Violinpulten sowie Hwaynoon Lee und Vladimir Babeshko an den Bratschen und dem Cellisten Brannon Cho entwickelte sich ein athletisch kerniges Spiel, dass eher den reifen Mann in Mozart zeigen wollte als den verspielten jüngeren Komponisten. Mit manch harter Attacke trieben sie der Musik jegliche Süße aus, sofern man in diesem Werk welche sucht. Bratscherin Hwaynoon Lee sonnte sich in ihrer Rolle mit affektierter Zuwendung zum Publikum anstatt zu den Mitspielenden. Allerdings muss man sagen, dass dadurch die Darbietung nicht litt, insbesondere nicht durch Tempobrüche.
In den ‘Jahreszeiten’ konnte dann Mutter wie immer glänzen. Man hat sie in dieser Rolle schon experimenteller oder, sagen wir, freier gehört, etwa mit dem norwegischen Kammerorchester. Doch auch im eher klassisch geprägten Stil wusste sie ihre Akzente zu setzen, die teilweise geräuschhaften Elemente selbst zu zelebrieren oder im Orchester artikulieren zu lassen und mit ihrer Präsenz und Überlegenheit zu begeistern. Auffällig Besonderheiten auch im Tutti, wenn etwa im langsamen Satz des Frühlings die zweite Note der Doppelakzente der Bratschen einen Hauch später und damit rhythmisch korrekt gesetzt wurden als üblicherweise. Oder wenn der Cellist Brannon Cho, mit dem sie in der Komposition im regen Kontakt stand, sich nicht nur als harmoniegebenden Teppich verstand, sondern mit äußerst gezielter Attacke auch eigene Anliegen vertrat, sozusagen als Dialogpartner und nicht nur als Zuhörer, der nur ja ja sagt. Wenn dann im Verlaufe in geteilten Stimmen die Aufteilung auf die Mitspieler durcheinander geriet und Linus Roth hier ordnend Mutter den Rücken freihielt, so hat das eher den Charme, dass auch bei diesen eloquenten Musikern eben noch nicht alles klappt, als dass es störend wäre. Einen bemerkenswerten Beitrag steuerte auch Knut Johannessen am Cembalo bei, der dem Instrument wunderbare Soli zu entlocken wusste. Wenn auch zum wiederholten Male, eine großartige Darbietung, für die die jungen Nachwuchskräfte und natürlich das aus dem Häuschen geratene Publikum Mutter allen Respekt zollten.
Wenn man so auf das Profil des Orchesters blickt, dann taucht nebenbei die Frage auf, ob nur in der Modewelt die Gefahr von Anorexia nervosa oder Bulimie ein Problem sein kann.
Ob nach den ‘Jahreszeiten’ unbedingt noch eine Zugabe folgen muss? Es gab jedenfalls eine, womit wohl auch der Großteil des Publikums mehr als zufrieden war. John Williams hat für Mutter auf den Klassiker ’Nice To Be Around’ aus Cinderella LibertyDiscover eine Version für Sologeige und Streichorchester geschrieben. Dass Williams vornehmlich für den Film komponiert, war nicht zu leugnen.