Mit der 6. Symphonie von Anton Bruckner war die dritte Aufführung dieses Komponisten innerhalb von drei Wochen in der Luxemburger Philharmonie zu hören. Und Uwe Krusch hätte gerne über einen krönenden Abschluss dieser kleinen Reihe berichten. Aber das muss entfallen.
Mengenmäßig wurde in diesem dritten Konzert mit beinahe zwei Stunden Spieldauer viel geboten. Den Abend eingeleitet hatte Igor Levit im Solopart beim 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms. Mit einer dreiviertel Stunde Spieldauer und einem Aufbau, der weit vom Virtuosenkonzert entfernt ist, hatte Brahms seine Zeitgenossen überfordert. Heute können wir mit anderen Ohren daran gehen und die gemeinsame Reise von Solist und Orchester, also quasi zwei Solisten, anders hören.
Levit erschien sozusagen hemdsärmelig leger, was sich aber nicht auf sein Spiel übertrug. Mit Sorgfalt und seinen geistig und spieltechnisch überragenden Eigenschaften hat er sich auch dieses auf manchen etwas spröde wirkende Werk erobert und kann zwischen klarer Artikulation und temperamentbetonter Emphase sein Spektrum an Einsichten in diese Musik an die Tasten vermitteln. Im seinem ersten Zusammenspiel mit dem Orchester und dem Dirigenten gelang, so der Eindruck, eine erfolgreiche professionelle Zusammenarbeit. Auch bei der Entgegennahme des Schlussapplauses schien es korrekt zuzugehen, so zumindest der Eindruck. Eindrücke von außen mögen täuschen, aber sie sind da.
Dank des hochgeklappten Deckels des Flügels blieb einem im ersten Teil Konzerts das Gezappel der Hände von Gergiev verborgen und musste nur bei Bruckner ertragen werden. Deutsche Reisebusfahrer erzählen, dass russische Polizisten kurz mit dem Schlagstock zappeln; das müsse man erkennen und dann anhalten und sich kontrollieren lassen. Wobei man sicherheitshalber eine Kiste Bier im Bus mitführt, die dann gerne vor Ort bleibt. Ob das Fingerwackeln von Gergiev auch Botschaften vermitteln soll und wenn ja welche, bleibt sein Geheimnis. Auch im Orchester ist das möglicherweise nicht jedem ersichtlich.
Im zweiten Konzertteil folgte dann, wie schon erwähnt, die sechste Symphonie von Bruckner. Diese Interpretation darf man als binär bezeichnen. Die Musik war laut oder leise, grell oder dumpf usw. Zwischentöne und ausformulierte Feinheiten waren rar gesät. Gerade wenn man kurz zuvor zwei grandiose Deutungen, schon klar, der Vierten Symphonie, gehört hat, dann war das hier banal, was nicht an der Komposition lag. Auch die Gestaltung von Übergängen wurde zugunsten vom Aneinandersetzen von Blöcken kurz gehalten. Da fehlte so viel, dass in den beiden vorhergehenden Sichtungen gefallen hatte. Die Mannschaft zeigte keinen Spielwitz, würde man im Fußball sagen. Oder der Trainer hatte nicht die richtige Taktik.
Apropos Mannschaft: Auch in diesem Teil blieb der Eindruck haften, dass das Orchester nicht wirklich mit Freude dabei war. Und auch wieder im Vergleich zu den vorherigen Konzerten boten die Instrumentengruppen weniger Überzeugendes. Die Holzbläser ließen die Eleganz und Finesse sowie die Klanghomogenität im Zusammenspiel vermissen wie auch im Blech das Schmetternde deutlich vernehmbar war, das Warme und Runde nicht. Die Streicher unter der im Auftritt zirkushaft anmutenden Leitung von Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici klang meist homogen und voll ohne wirklich zu begeistern. Das Orchester scheint einen sehr schlechten Tag gehabt zu haben. Oder es macht eine Durststrecke durch.
Neben wenigen unvermeidlichen Bravorufen fielen vor allem viele Zuhörer auf, die nach dem letzten Ton fluchtartig den Saal verließen, vielleicht um der Warteschlange im Parkhaus zuvorzukommen. Nur eine praktische Überlegung oder auch ein Kommentar zum Gehörten?