Während die klassische Programmfolge Ouvertüre, Solokonzert und Symphonie heißt, so wird hiervon immer öfter abgewichen. So war es auch beim letzten Konzert des Philharmonischen Orchesters Luxemburg (OPL) unter seinem Chef Gustavo Gimeno. Zu Gast hatten sie die Schwestern Labèque. Wer noch eine dreiviertel Stunde früher den Weg in die Philharmonie gefunden hatte, konnte noch ein kleines ‘amuse- oreilles’ erleben, wie Pizzicato-Mitarbeiter Uwe Krusch.
Matthew Studert-Kennedy, der Leiter der künstlerischen Planung hatte sich mit dem Flötisten Markus Brönnimann aus dem OPL zum Gespräch verabredet. Es ging genau um die Frage der Programmzusammenstellung, wie sich diese durch eigene Wünsche und äußere Einflüsse gestaltet. Im Rahmen dieser hinter die Kulissen blickenden Unterhaltung wurden dann auch Details zu den am Abend zu hörenden Werken angeschnitten und vom Flötisten auch spielend erläutert. Anstelle einer Hörprobe aus dem Konzert von Poulenc spielte Brönnimann sehr einnehmend die Cantilena aus der Sonate für Flöte dieses Tonsetzers.
Das eigentliche Konzert eröffnete mit einer Premiere für das OPL, nämlich dem Werk ‘Métaboles’ von Henri Dutilleux. Dieses am ehesten als Konzert für Orchester einzuordnende Werk bietet in fünf aneinander geknüpften Sätzen jeder Orchestergruppe eine Plattform, ihr Können darzustellen. Dass das OPL einem solchen Werk gewachsen war, überrascht kaum. Alle Musiker auf der gut gefüllten Bühne zollten dem fordernden Werk Respekt und stürzten sich mit Engagement in die Präsentation. Die Umwandlung des Motivs im Laufe des Werkes wie im Stoffwechsel des Körpers stellt einen unumkehrbaren Prozess dar, der in einem großen Tutti endet. Dem OPL und Gimeno gelang eine durchleuchtende Sicht, die das Werk geradezu aufhellte. Insbesondere die Streicher schafften im zweiten Teil eine derartige Opulenz, dass man sie bei einem für seinen Streicherklang bewunderten großen Orchester hätte verorten können. Ein wenig bleibt trotz der beeindruckenden Interpretation die Frage im Raum stehen, ob die erstmalige Befassung mit dem Werk noch für ein wenig Reserviertheit sorgte.
Die Schwestern Labèque, Katia und Marielle, waren vor einem Jahr mit einem Gastorchester auch schon in der Philharmonie und hatten das Konzert von Bruch mitgebracht. Heuer stand ein weiteres Konzert für zwei Klaviere und Orchester im Fokus, das von Francis Poulenc. Dieses unbekümmert eklektizistische Konzert gehört mit Recht zu den beliebtesten Doppelkonzerten überhaupt. Thematische Anknüpfungen an Mozart und konzeptionelle Anleihen bei dem kurz zuvor geschaffenen Klavierkonzert von Ravel geben zusammen mit dem Personalstil Poulencs ein feuriges und zugleich leichtes Geflecht.
Der erste Satz ist insgesamt sehr virtuos und treibend. Beide Soloinstrumente verarbeiten mit einem Übergewicht beim ersten Piano das erste Thema, bevor beim zweiten eine größere Ausgeglichenheit zwischen den beiden Soloinstrumenten erreicht wird. Ein Kinderlied-Motiv taucht auf und beschleunigt das Geschehen. Noch ein Charakterwechsel folgt, bei dem die Klaviere leise einen geheimnisvollen Untergrund schaffen, der an balinesische Gamelan erinnert. In dieser Stimmung endet der erste Satz. Das Larghetto beginnt mit einer einfachen Melodie, die Mozart sowohl parodiert als auch zum Vorbild nimmt. Das sich entwickelnde Hauptthema des Finales ist von tänzerischem Schwung. Die Weiterführung des Themas geschieht auf elegante Weise im Wechselspiel zwischen Orchester und den Klavieren.
All diese Raffinessen des Werkes, das zu besten von Poulenc zählt, wussten die beiden Solistinnen und das Orchester mit sicherem Gespür heraus zu kitzeln. Dabei ist der Anteil des ersten Pianos etwas stärker und steht thematisch im Vordergrund. Dadurch trat Katia, die diesen Part übernommen hat, natürlich etwas stärker in Erscheinung. Aber im Gesamtklang trat dieser Unterschied in den Hintergrund. Denn das Zusammenspiel sowohl der Schwestern miteinander als auch mit dem Orchester zeigte nicht nur keine anzumerkenden Spuren von Diskrepanzen, sondern befeuerte die Darreichung an die Ohren der Zuhörerschaft.
Zusammen mit den ‘Métaboles’ bot der erste Teil des Abends damit ein von französischem Odem angehauchtes Bild, das alle Beteiligten von ihrer besten Seite zeigte. Als ob diese französische Art auch auf die ‘Symphonischen Tänze’ von Rachmaninov ausgestrahlt hätte, wurden auch diese mit farbigem Gestaltungsreichtum ausstaffiert. Wer die Bezeichnung des Werkes wörtlich nimmt, ist im Irrtum, da es sich eher um eine Symphonie handelt. Es handelt sich um das letzte Werk des Russen und das einzige vollständig im Exil verfasste. Es ist ein sehr persönliches in dem Sinne, dass es Zitate aus früheren Werken ebenso einbringt als auch grundsätzlich eine russischen Charakter hat, wie beispielsweise durch das Dies Irae Motiv. Denn diese Tänze sind solche des Todes und nicht der Lebensfreude. Dabei bleibt das Werk immer elegant und anmutig.
Das OPL unter Gustavo Gimeno ging das Werk mit einer gesunden Mischung aus tänzerischer Leichtigkeit und der ebenfalls ausgedrückten Bedrücktheit an, die eine große Breite an Ausdrucksstärken ermöglichte. Einige wenige Tuttimomente wurden dicht und wenig transparent offeriert, so dass sie eher massiv als kraftvoll klangen. Im Walzer gab Gimeno wohl eine bewusst nüchterne Anlage vor, die eine Anlehnung an Wiener Walzer oder gar an Mahlers Behandlung solcher Momente bewusst abzuwehren schien. So erschien diese Passage ein wenig geradlinig. Insgesamt aber zeigte die Interpretation einmal mehr, dass Orchester und Dirigent einen vielversprechenden gemeinsamen Weg eingeschlagen haben.