Die Pizzicato-Leserin Thérèse Gorza hat uns einen ‘Leserbrief’ zukommen lassen, in dem sie kritisiert, dass die Kulturszene im Großherzogtum fest in Männerhand sei: « Geringe Sichtbarkeit von Frauen in der Kunstszene ». Hier ihr der Text im Wortlaut: « Als Abonnentin der Philharmonie bin ich jedes Jahr gespannt, wie das weitgefächerte Programm wohl aussehen mag. Dabei fiel mir auf, dass 2017 in der Philharmonie nur sehr wenig Musik von Frauen gespielt wird.
Anfang dieses Jahres fand dort ein Konzert statt, das Frauen in den Mittelpunkt stellte. Auch ein Werk der Luxemburger Komponistin Lou Koster stand auf dem Programm. Ein hervorragendes Konzert, wie auch die Berichterstattung z. Bsp. auf RTL hervorhob. Der Reporter sagte, dass Lou Koster in einer Zeit lebte, in der Frauen, die komponierten es schwer hatten und auf Unverständnis stießen. Soll sich heute etwas geändert haben?
Da ich nirgends irgendwelche luxemburgischen Statistiken über Frauen in der bildenden Kunst oder der Musik fand, machte ich mir die Mühe, das Programmheft der Philharmonie Seite pro Seite unter diesem Aspekt unter die Lupe zu nehmen. Eine genaue Statistik kam dabei natürlich nicht heraus, aber das Resultat ist dennoch aufschlussreich!
In der ‘Königsklasse’ (klassische Musik, Orchestermusik, ‘anspruchsvolle’ Musik, Kammermusik…) waren gerade mal 0,56% der Komponisten Frauen! Es gab 1,89% Dirigentinnen, 23,9% Interpretinnen. Beim Gesang kam die Statistik an die paritätische Besetzung heran (46% Frauen) und bei sonstigen Aktivitäten (Szene, Kostüme usw…) waren Frauen mehrheitlich vertreten! In der Königsklasse sind also die noblen Aktivitäten, die gesellschaftlich Ruhm und Macht darstellen (der Mann dirigiert!) den Männern vorbehalten, Frauen dürfen singen und die Bühne herrichten.
In den anderen Kategorien, wie z. Bsp. Jazz und Weltmusik, Pop… ist es allerdings auch nicht viel besser. 13,3 % Musik von Frauen, und in diesen Ensembles gab es auch nur 2,9% Frauen als Interpretinnen, beim Gesang waren es wieder 47 %.
Nur in der Kategorie ‘Experimentelle Musik, Jugend und Kinderprogramme’ sind die Frauen besser vertreten. 20% der Musik ist von Frauen, allerdings ist von 8 Dirigenten keine Frau dabei, sie stellen jedoch 30 % der Interpreten, 71,4% Sängerinnen und die anderen Aktivitäten werden auch zur Mehrheit von Frauen ausgeübt. Jugend und Kinder, dies ist ein Gebiet, wo sich Frauen wohl naturgemäß gut auskennen? So scheint es jedenfalls, wenn man die Broschüre der Philharmonie liest.
Das OPL, zu Recht Aushängeschild der luxemburgischen Kulturpolitik hat 77 CDs veröffentlicht, gerade mal 2 Komponistinnen haben es aufs Podium geschafft, Lili Boulanger und Lou Koster, d.h. nur 1,54% der Musik die eingespielt wurde, ist von Frauen.
Zu bedauern ist, dass es keine genderspezifischen Statistiken in Luxemburg über das Kulturschaffen gibt. Der nationale Aktionsplan zur Gleichstellung zwischen Männer und Frauen hält in seiner Präambel fest, dass dieses Ziel zu den Prinzipien der jetzigen Regierung gehört. Aber «l’importance d’intégrer la dimension du genre dans le travail politique pour améliorer la qualité, l’efficacité, l’équité et la cohérence des politiques publiques reste sous-estimée dans les ministères. C’est pour cette raison que chaque département ministériel a été invité à identifier 3 à 5 objectifs spécifiques à réaliser dans les années à venir dans son domaine de compétences respectif.»
Zwei der vom Kulturministerium festgelegten Ziele sind: Veiller à la programmation d’une ventilation par sexe des statistiques culturelles commandées/ élaborées par le ministère de la Culture. Veiller à un traitement égalitaire des candidatures lors de procédures/comités de sélection
intégrés par un représentant du ministère de la Culture (résidence d’artistes, concours, exposition,…) avec, si égalité de qualité artistique, discrimination positive en faveur du sexe sous-représenté.»
Dies ist schon ein Anfang, aber wäre es nicht angebracht, erst mal eine Bestandsaufnahme der Kulturszene zu machen. Schaut man sich z. Bsp. die Vorstände der hier in Luxemburg existierenden Musikinteressenvereine und -institute an, dann hat man kein gutes Gefühl, was die Umsetzung der Gleichstellung anbelangt.
Als Beispiel: musicLX, keine einzige Frau im Vorstand. Diese vom Kulturministerium finanzierte Vereinigung unterstützt u.a. die Vermarktung von Künstlern im Ausland. Im Jahre 2014 bekamen 14% von Frauen den ‘Prix du meilleur artiste export de l’année’ (6 Männer, eine Frau). Beim Jazz wurden gefördert: 62 Männer, 5 Frauen (3,35%). Von 12 zeitgenössischen Komponisten waren 2 Frauen, also ein (für europäische Verhältnisse) nicht so schlechter Anteil (16%). Bei der LMP (Luxembourg Music Publishers), die auch vom Kulturministerium gesponsert wird ist auch keine einzige Frau im Vorstand. Ich bin sicher, bei anderen Vereinen ist es nicht viel anders. Die Kultur ist also fest in Männerhand!
Es ist ja schon Stadtgespräch, dass das Kulturministerium vielen Organisationen die Konventionierung aufgekündigt hat, so auch dem ‘CID / Fraen an Gender’, die einzige Organisation die sich seit Jahren konsequent für die Gleichstellung der Frauen im Kulturbereich einsetzt und tatkräftig vor allem zeitgenössische Komponistinnen durch Auftragskompositionen unterstützt und ihre Werke archiviert, editiert und zur Aufführung bringt, genauso wie die Werke zweier namhafter historischer Komponistinnen, Lou Koster und Helen Buchholtz.
In Frankreich wurde 2013, auf Initiative des Kulturministeriums, ein ‘Observatoire de l’égalité entre femmes et hommes dans la culture et la communication’ gegründet, das erst eine Bestandsaufnahme machte, um danach in einem jährlichen Bericht den Anteil der Frauen in Führungspositionen, die Abweichung zwischen den Gehältern, die Präsenz der Frauen in der Programmierung der Schauspielhäuser, Musiktheater, Konzerthäuser sowie in den Medien, in der künstlerischen Weiterbildung und in den Berufen zu untersuchen, aber auch die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Art der Anerkennung von künstlerischer Tätigkeit aufzuweisen.
Will man wirklich etwas verändern, die Demokratie stärken, durch mehr Gleichheit zwischen Männern und Frauen in der Gesellschaft und in der Kultur, muss man sich auch wirksame Mittel geben, die Nachhaltigkeit dieses Prozesses zu verfolgen und gegebenenfalls die Maßnahmen anpassen.
Thérèse GORZA
(Ohne Verantwortung der Redaktion)