Am Ende seines kompositorischen Lebens kehrte Brahms zu seinem Instrument, dem Klavier, zurück. Dabei nahm er sich kleinere Formen vor, keine Sonaten oder Variationssätze. Mit den als Fantasien zusammengefassten sieben Stücken op. 116, die jedes für sich als Capriccio oder als Intermezzo und eben nicht als Fantasie bezeichnet werden, zeigt er eine sehr persönliche Tonsprache, die weniger durch technische Schwierigkeiten als interpretatorisch herausfordert. Brahms letztes Werk für Klavier solo zeigt auf kurzem Raum noch einmal das ganze Ausdrucksspektrum seiner Klaviermusik, denn die vier Klavierstücke op. 119 vertonen Sehnsüchtiges und Fröhliches, Graziöses und Pompöses, Heiteres und tief Trauriges.
Dazwischen fügen sich die Brahms-Variationen des Ungarn Ivan Eröd ein, die von Andras Schiff in Auftrag gegeben und uraufgeführt wurden und das Thema der letzten der Fantasien op. 116 verarbeiten, wobei auch Annäherungen an andere Komponisten zu erkennen sind.
Die österreichische Pianistin Senka Brankovic hat sich dieser späten Werke von Brahms und den auf sie bezogenen Variationen von Ivan Eröd angenommen. Diese von herzeigbaren pianistischen Kabinettstückchen freien Werke erfordern eine intensive Durchdringung und feine Darstellung. Brankovic spielt genau und klangschön, mit Phrasierungen und mit präziser Artikulation. Da gibt es nichts eigentlich nichts auszusetzen. Aber das Problem dieses Spielens ist, dass der Blick ins Innere dieser Stücke nicht genügend deutlich wird. Sie poliert Brahms, in langsamen wie in schnellen Stücken. Letztere klingen wie eine Etüde. Gerade der späte Brahms aber ist rau und unbequem, und seine Musik ist nicht nur schön, es lasten immer Schatten auf ihr. Diese Extraprise gibt es bei Senka Brankovic nicht, so dass dieser Brahms uninspiriert klingt.
Auch die Interpretation der Variationen von Eröd, die zugänglicher gelingt, kann es nicht herausreißen.