Wie eigentlich immer bei dem überarbeiteten und überforderten Mariinsky Orchester und seinem ebenso rastlosen wie sich selbst auslaugenden Chefdirigenten sind Dmitri Shostakovichs Symphonien und Konzerte, aufgenommen bei einem Konzertmarathon in der Pariser ‘Salle Pleyel’, ein unausgeglichenes Ganzes.
Schon gleich in der Ersten Symphonie ist die Anstrengung des Orchesters nicht zu überhören. Die Symphonien Nr. 2, 3 und 4 werden in solide gemachten Interpretationen dargeboten, fernab von allem, was Begeisterung auslösen könnte.
Etwas besser gelingt die Fünfte, in der zumindest streckenweise Spannung aufkommt, in der es ansatzweise Schattierungen und Farbnuancen gibt, die ein etwas stärkeres Engagement des Dirigenten zeigen.
Die Symphonie Nr. 6 ist recht arm an Kontrasten und leidet an einem Mangel an Beweglichkeit in der Dynamik. Ganz schlimm finde ich die Beiläufigkeit, mit der Gergiev (den Zahnstocher in der Hand) den ersten Satz der 7. Symphonie, der ‘Leningrader’ herunterrasselt, farbenarm, spannungslos, virtuos, aber nicht einmal brillant, was die Orchesterleistung anbelangt. Leider werden weder das emotionale Engagement noch die Orchesterleistung besser in den drei nächsten Sätzen, so dass die Symphonie einen äußerst fahlen Eindruck hinterlässt. Gleiches gilt für die Achte. Selbst in der Neunten, die relativ brillant gespielt wird, bleibt Gergiev dem Werk einiges an Ironie schuldig.
Der erste Satz der Zehnten Symphonie geht in einer Atmungsgleichschaltung unter und bleibt ausdrucksarm. Wie immer, wenn Virtuosität angesagt ist, brilliert das Mariinsky Orchester im 2. Satz. Der Rest der Symphonie wird korrekt heruntergespielt.
Sehr distanziert von allem, was man mit der Symphonie verbinden kann, klingt auch die Elfte: so uninspiriert habe ich dieses Werk kaum je gehört.
Die 13. Symphonie, ‘Babi Yar’, wird nüchtern und ohne jede Emphase wiedergegeben, genau wie die Symphonien Nr. 12, 14 und 15. Ich verstehe ja, dass Gergiev sich an die Noten halten will, aber was, wenn die Musik dadurch flach und fast langweilig wird?
Ein Highlight der Box ist das Erste Klavierkonzert, in dem Gergiev und der Pianist Daniil Trifonov zumindest ab dem 2. Satz eine kongeniale Ausdruckskraft erreichen, die das in einer elektrisierenden Spannung gefangenen genommene Pariser Publikum nicht zu Unrecht zu Begeisterungsstürmen hinriss.
Recht spektakulär ist auch Denis Matsuev im Zweiten Klavierkonzert. Das Erste Violinkonzert mit Vadim Repin ist ebenfalls gut gelungen, aber das Zweite bleibt stark unterbelichtet. Der Solistin Alena Baeva spielt zurückhaltend und bringt in keinem Moment die eruptive Kraft des Werkes zu Gehör. Auch das erste Cellokonzert mit Gautier Capuçon bleibt sehr ‘diskret’ in seiner Wirkung, während sich Mario Brunello im Zweiten Kontert bemüht, viel Expressivität zu erreichen und zwangsläufig so die Aufmerksamkeit völlig auf sich zieht.
Im Großen und Ganzen bleibt der Eindruck einer mehr oder weniger perfekten Technizität, eines Symphonien-Zyklus, der von einem Notenverwalter eistudiert, aber wohl nie wirklich geprobt und erarbeitet wurde. Aber wie soll ein Orchester auch beim Zahnstocher-Dirigat, eher gequältem Gesichtsausdruck und flattrigen Händen mehr als Technik vermittelt bekommen?
Was die Videoproduktion anbelangt, verdient Bildregisseur Don Kent Lob für seine einfallsreiche Kameraführung, mit vielen stupenden Nahaufnahmen und grandiosen Perspektiven von der Decke runter aufs Orchester.
Lästig ist vor jedem einzelnen Werk der lange Vorspann, mit dem Anfang des 2. Satz der 10. Symphonie unterlegt.
Der Zyklus wird ergänzt von umfangreichem Bonus-Material: Zu jedem Werk gibt Gergiev ein kurzes Interview. Der Dokumentarfilm ‘Dmitri Shostakovich – Ein Mann mit vielen Gesichtern’ enthält die nötigen Hintergrundinformationen. Der Filmemacher Reiner E. Moritz kannte den Komponisten persönlich und konnte für seine Dokumentation auf seltene Interviews mit Shostakovich, seinem Sohn Maxim sowie seinem Weggefährten Rudolf Barshai zurückgreifen.
Largely unsatisfying, sober Shostakovich performances by an orchestra and a conductor showing signs of an overload of work.