(c) David Baltzer

In der Inszenierung von Evgeny Titov hatte Serge Prokofievs Märchenoper ‘Die Liebe zu den drei Orangen’ an der Semperoper Dresden Premiere. Sowohl die szenische als auch die musikalische Umsetzung wurden lautstark gefeiert. Michael Oehme berichtet.

Carlo Gozzis ‘L´amore delle tre melarance’, ein Märchenspiel aus dem 18. Jahrhundert mit Elementen der Commedia dell´arte, hatte den russischen Theaterimpressario Meyerhold um 1910 zu einer Bearbeitung angeregt, in der er mit Mitteln der Groteske und des Surrealistischen der damaligen Zeit den Spiegel vorhalten wollte. Prokofiev griff den Stoff auf und schuf, nachdem der in der heutigen Ukraine geborene Komponist dem jungen Sowjetreich den Rücken gekehrt hatte, ein eigenes Libretto. In Chicago fand 1921 die Uraufführung statt. Der Stoff enthält allerdings keinerlei sozialen Botschaften oder Fingerzeige. Ein heillos kranker Prinz wird wohl nur gesunden und auf dem Thron landen dürfen, wenn er zum Lachen gebracht wird. Das versuchen einerseits die Ärzte, während andere, zum Beispiel die Hexe Fata Morgana es zu verhindern anstreben, damit Clarisse, die Nichte des Königs das Erbe antreten kann. Nur dem Komiker Truffaldino gelingt es, infolge eines Streites mi Fata Morgana, in dem diese die Treppe herunterstürzt (ein fantastischer Standup auf der Bühne der Semperoper!) und der Prinz kurzfristig zum Lachen kommt. Doch schnell trifft ihn der Fluch, in Liebe zu drei aus der Küche gestohlenen Orangen entbrennen zu müssen. In der Wüste versucht er mit deren Saft seinen Durst zu löschen. Den ersten beiden Früchten entsteigen jedoch zwei Prinzessinnen, die sofort verdursten, während der dritten – Ninetta – und ihm mit Wasser geholfen wird. Vor ihrer Heirat wird Ninetta allerdings verflucht und in eine Ratte verwandelt. Die Tat wird allerdings aufgedeckt und die Königshochzeit kann stattfinden.

Georg Zeppenfeld (König Treff), Mauro Peter (Prinz), Danylo Matviienko (Pantalon), Gerald Hupach (Zeremonienmeister), Aaron Pegram (Truffaldino), Komparserie; © Semperoper Dresden/David Baltzer

Ein turbulentes Spiel also mit etlichen skurilen Gestalten, insgesamt 15 Solopartien, die Regisseur Evgeny Titov äußerst lebhaft auf die Bühne und das Publikum nicht nur einmal zum Lachen gebracht hat. Wolfgang Menardi schuf dafür ein schlüssiges Bühnenbild, das von großen gefalteten Vorhängen umgeben ist, die je nach Situation in unterschiedlichen Farben erstrahlen, so goldgelb in der Wüstenszene mit den Orangen oder schwarz, wenn die Bösewichter zu Gange sind.

Eine Augenweide sind auch die fantasievollen Kostüme von Emma Ryott. In ihnen haben die Sänger in den großen Chortableaus der Hofgesellschaft am Anfang und Ende der Oper ihre große Stunde. Stimmgewaltig und ausgesprochen präzise ist der immer wieder erstaunlich leistungsfähige Staatsopernchor zu erleben (Einstudierung diesmal Jonathan Becker). Gesungen wird übrigens auf Deutsch in der sehr treffsicheren Übertragung von Werner Hintze. Bis in die kleineren Rollen hinein überzeugen auch die Solisten. Genannt seien die Ninetta Jasmin Delfs, die Köchin Taras Sthondas (eine Basspartie!), großartig mit voluminöser Stimme Tilmann Rönnebeck als Farfarello. Gewohnt souverän gibt Georg Zeppenfeld den König Treff, beeindruckend Flurina Stucki als Fata Mogana – eine wunderbar runde, gut geführte große Sopranstimme. Den schwersten Stand vielleicht hat Mauro Peter in der Partie des Prinzen. In der an sich schon zerbrechlichen Anlage dieser Rolle fehlt ihm einiges an Höhe und Durchschlagskraft.

Bleiben die Staatskapelle unter dem Dirigat von Erik Nielsen. Prokofjews hoch virtuose Partitur ist natürlich wie geschaffen für dieses Orchester. Es wuselt und leuchtet den ganzen Abend. Außer dem berühmten Marsch gibt es ja kaum Ohrwürmer, birgt jeder neue Takt eine Überraschung. Nielsen hebt und lockt sowohl die sarkastischen als auch die zärtlichen Momente hervor.

Die Oper Die Liebe zu den drei Orangen wird in Dresden einem völlig unpolitischen, ausgesprochen unterhaltsamen, bildstarken Theatervergnügen. Nicht mehr und nicht weniger und damit ein Wert an sich in unseren Zeiten.

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