Eine gute Dreiviertelstunde machen Giacomo Puccinis komplette Lieder aus. Es sind 19 Stück, sechzehn davon sind weltliche Lieder, drei sind geistliche Lieder mit Orgelbegleitung, wovon deren zwei für zwei Stimmen bzw. Chor geschrieben wurden. Krassimira Stoyanova bewältigt sie allein und hat – die Technik macht’s möglich – beide Parts aufgenommen.
Einige der Melodien aus den Liedern tauchten später in Puccinis Opern erneut auf. Das gilt für ‘Canto d’anime’, dessen Melodie etwas abgeändert in Rinuccios Florenz-Lied aus ‘Gianni Schicchi’ verwendet wurde. ‘Sole e amore’ kommt in der ‘Bohème’ vor und ‘Morire’ wurde später zur Arie des Ruggero in ‘La Rondine’, eine Oper, in der der Komponist auch Material aus ‘Signo d’Oro’ verwendete. Die Melodie des ‘Salve Regina’ stammt aus ‘Le Villi’, und in ‘Avanti Urania’ wird man genau wie in ‘Inno a Diana’ Melodiefetzen aus ‘Tosca’ und ‘Madama Butterfly’ identifizieren. Die Melodie aus’ Storiella d’amore’ benutzte Puccini im dritten Akt von ‘Edgar’. Im vorletzten Lied schließlich, ‘Mentia l’avviso’, findet man die Basis für Des Grieux’ Arie ‘Donna non vidi mai’ aus ‘Manon Lescaut’.
Mithin ist dieses Recital ein Wiederhören mit alten Bekannten. Krassimira Stoyanova macht alles, um dieses Wiederhören beglückend werden zu lassen. Nicht nur ist ihr Sopran voller Leuchtkraft und wunderbar geführt, die Technik hilft ihr auch, die Lieder sehr ausdrucksvoll werden zu lassen. Wie immer versteht es diese Sängerin, Stimmungen treffsicher zu erzeugen und mit ihrem einmaligen Gestaltungstalent dramatisch und sinnlich die Unterschiede zu schaffen, die aus den Liedern eigentlich kleine charakterlich geschärfte Arien machen. Ein Ohrenschmaus, der nach 46 Minuten allzu schnell zu Ende ist!