Von Rachmaninovs 2. Klavierkonzert gibt es sehr viele Einspielungen, und es sind die emotionsgeladenen, epischen und hochvirtuosen Interpretationen, die dieses Werk quasi in eine einzige Richtung gedrängt haben, so dass es heute schwerfällt, sich einen anderen Zugang dazu vorzustellen. Die junge italienische Pianistin Vanessa Benelli Mosell zeigt in ihrer dritten Aufnahme für Decca genügend Mut, um den bekannten Weg seliger Rachmaninov-Interpretationen bewusst und konsequent zu verlassen.
Zwar bietet das wundervoll klingende ‘London Philharmonic Orchestra’ dem Hörer einen wahren Klangrausch, doch Dirigent Kirill Karabits versteht es, die melodische Schönheit und das kraftvolle Orchesterbild zu relativieren und somit dem Effekt eines ‘Rachmaninov zum Schmusen’ zu entgehen. Karabits gelingt das Kunststück, den Hörer einerseits mit einem tollen Orchesterspiel zu verwöhnen, andererseits aber auch das sehr individuelle und perkussive Klavierspiel von Vanessa Benelli Mosell zu unterstützen. Mehr als einmal wird der natürliche Fluss gestört, mehr als einmal prallen hier verschiedene Welten aufeinander. Und gerade diese Diskrepanz zwischen musikalischem Fluss und modernen, unaffektiertem Klavierspiel macht diesen Rachmaninov so außergewöhnlich.
Die Pianistin verweigert sich einem zuckersüßen gefälligen Spiel, akzentuiert relativ hart, stemmt sich dem Orchester entgegen, so dass ein wirklicher musikalischer Dialog, ja eine regelrechte Auseinandersetzung zwischen den Partnern entsteht. Und dieser Dialog wirft nun einen ganz neuen Blick auf dieses in seiner Substanz vielleicht doch nicht so gefällige Werk.
Rachmaninovs Corelli-Variationen sind ein wahrer Geniestreich, der allerdings nie die Gunst des Publikums erfahren hat, so dass selbst viele ausgewiesene Rachmaninov-Interpreten einen Bogen darum machen. Vanessa Benelli Mosell hat aber hörbare Freude daran, dieses eher ernste und erstaunlich moderne Stück, in dem man sogar in verschiedenen Variationen Jazz-Klänge herauszuhören vermag, bis ins kleinste Detail auszuleuchten. Auch hier bewährt sich ihr manchmal recht hartes, perkussives Spiel, so dass wir hier diese Corelli-Variationen in einer wirklichen Referenzaufnahme erleben können.
Wer Rachmaninovs eigene Einspielungen kennt, der weiß, dass er als Interpret eher der nüchterne Typ war, der klare Linien und deutliche Strukturen den Vorzug gab. Und in diesem Sinne einer objektiven, nuancenreichen Klarheit geht auch Vanessa Benelli Mosell diese beiden Werke an, was ganz sicher im Sinne des Komponisten ist. Klangtechnisch ist das Konzert besser eingefangen als die in Prato (Toscana) eingespielten Variationen. Die direkte, grelle und etwas resonanzarme Akustik kommt zwar dem Spiel der Pianistin sehr entgegen, verfremdet allerdings ein bisschen den Klang des Klaviers, was aber dem Wert dieser in allen Hinsichten ausgereiften und besonderen Rachmaninov-Scheibe keinen Abbruch tut.
Avoiding any over-emotional style, Italian pianist Vanessa Benelli Mosell presents Rachmaninov in what one could call objective and very clear performances. In a passionate dialogue with the orchestra, magisterially led by Kirill Karabits, Benelli Mosell’s Rachmaninov is really special.
Interview with Vanessa Benelli Mosell