Zwei Einakter von Sergej Rachmaninov präsentierte der Bayerische Rundfunk in München. Unter der Leitung von Ivan Repusic kamen im Prinzregententheater Aleko sowie Francesca da Rimini konzertant zur Aufführung. Michael Oehme berichtet.
Beide Stücke kreisen in der Handlung um Liebe, Eifersucht und Tod (in dieser Reihenfolge!). Aleko (1892) ist das erste, Francesca da Rimini (1906) das letzte von Rachmaninovs drei Bühnenwerken. Dazwischen gibt es noch die Oper ‘Der geizige Ritter’ sowie ein späteres Fragment, Monna Vanna (nach Maurice Maeterlinck). Aleko war das Examensstück des 19-jährigen Rachmaninov am Moskauer Konservatorium. Auch Piotr Tchaikovsky war begeistert und bot ihm sogar eine Aufführung zusammen mit seinem Einakter Jolanthe an, wozu es allerdings nicht kam. Aleko erlebte im Mai 1893 am Bolschoi-Theater seine vielversprechende Uraufführung.
Die einaktige Oper basiert auf dem Poem Zygani (Die Zigeuner) von Alexander Puschkin. Sowohl in der literarischen Vorlage als auch in der Oper findet der Begriff Zigeuner eine für die damalige Zeit selbstverständliche Verwendung. Das Milieu der Sinti und Roma übte im Russland des ausgehenden 19. Jahrhunderts eine große Anziehungskraft aus. Es vermittelte ein Stück Sehnsucht nach Freiheit und unkonventioneller Lebensweise. Diese Sehnsucht wird hier durch die mit Aleko verheiratete Semfira verkörpert, die sich die Freiheit eines Geliebten herausnimmt und demonstrativ zur Schau stellt – eine Paraderolle für die sängerisch bis ins letzte Detail präsente Sopranistin Kristina Mkhitaryan. Mit ihrer außergewöhnlich schönen und zugleich kräftigen Stimme ist sie inzwischen als Violetta, Tatjana, Liu oder Adina an allen großen Bühnen der Welt zu Hause. Aleko, der von ihr betrogene Ehemann hat mit der Kavatine, in der er sein verlorenes Glück besingt, seinen großen zutiefst berührenden Auftritt. Kostas Smoriginas aus Litauen brachte dazu seinen volltönenden warmen Bariton ein. Es hindert ihn nicht daran, die beiden jungen Liebenden zu ermorden. Er selbst wird dafür jedoch von der Gemeinschaft der Zigeuner ausgeschlossen und muss fortan allein durchs Leben irren. Umringt von packenden Chorszenen mit folkloristischen Einfärbungen ist Rachmaninov hier ein schon vollgültige, sehr konzentriert, als sein Werk erkennbare Musik gelungen.
Francesca da Rimini, nach einer Episode aus Dante Alighieris Göttlicher Komödie, zwölf Jahre später ebenfalls am Moskauer Bolschoi uraufgeführt, lässt eine deutliche Weiterentwicklung hörbar werden. Modale Tonfolgen nähern sich einer gewissen Modernität. Der Abstieg Dantes und Vergils Schatten zu den leidenden Seelen in der Hölle steht der Expressivität von Werken anderer Komponisten in dieser Zeit in nichts nach. Wenn Paolo und Francesca sich ihre Liebe gestehen und zugleich beklagen, dass es nichts Schlimmeres gibt, als im Unglück über glückliche Zeiten nachzudenken, ist der emotionale Höhepunkt der Oper erreicht. Wieder Kristina Mkhitaryan als Francesca und der Tenor Andrei Danilov (zur Zeit im Ensemble der Deutschen Oper Berlin) als Paolo mit schier unendlicher Strahlkraft sangen sich im wörtlichen Sinne die Gefühle aus dem Leib. Weitere Partien waren an diesem Abend mit Natalya Boeva (Alte Zigeunerin in Aleko), Shavleg Armasi (Semfiras Vater, Vergils Schatten) sowie Dmitry Golovin (Dante Alighieri) ebenfalls hervorragend besetzt. Der schon erwähnte, ordentlich verstärkte Chor des Bayerischen Rundfunks faszinierte auch bei den Höllenszenarien in Francesca da Rimini durch Präzision und Leuchtkraft. Durch seine ungezählten Studio- und Konzertaufnahmen von Werken des Musiktheaters war das Rundfunkorchester München geradezu prädestiniert für die Aufführung dieser (ja warum?) so selten zu hörenden Opern von Sergej Rachmaninov. Das Orchester aus München ist ein Juwel unter der Rundfunkklangkörpern in Deutschland, zumal wenn es unter einem so versierten, stilsicheren und sängeraffinen Dirigenten wie Ivan Repusic musiziert. Leipzig darf sich freuen, wenn er 2025 sein Amt als GMD an der dortigen Oper antreten wird.