Serge Rachmaninov: Symphonie Nr. 1 d-Moll op. 13 + Symphonie Nr. 2 e-Moll op. 27 + Symphonie Nr. 3 a-Moll op. 44 + Die Toteninsel op. 29 + Caprice bohémien op. 12; WDR Sinfonieorchester, Cristian Macelaru; # Linn AP366; Aufnahme 10.2021, 02., 06., 09.2022; Veröffentlichung 28.02.2025 (3'13'56) – Rezension von Uwe Krusch ** (For English please scroll down)

Selten hat man Musik so gut geformt gehört. Übertragen auf einen bodygebildeten Körper ist jeder Muskel und jede Faser bestens definiert. Die messerscharf zupackenden Blechbläser sezieren die Klänge äußerst markant und forsch schmetternd. An diesen Kompositionskörpern ist kein Gramm Fett zu viel zu hören. Die Schwabbelecken oder gar dicken Bäuche der Streicher bei anderen Interpretationen sind hier wegtrainiert. Da ist nur die abgespeckte Variante zu hören, die ein behändes Agieren ermöglicht. Auch die Holzbläser haben die Rosskur mitgemacht und sind mit agilem Antritt dabei.

Um Irrtümer zu vermeiden: ein so gestraffter Organismus erfreut sich bester Gesundheit, da fügt sich alles organisch ohne Abstriche zusammen. Alle Komponenten sind ohne Ermüdung unermüdlich dabei. Da gibt es keinen Muskelkater oder andere Fehlfunktionen. Alle sind fit.

Das Hörbild dieser athletischen Interpretationen ist deutlich anders als üblich. Gerade die zweite Symphonie, oft eine Wohlfühloase für emotional hörendes Publikum, bietet sich hier eher neutral, wenn auch auf höchstem technischem Niveau an. Wenn man so eine ungewohnte Sichtweise goutiert, wird einem wirklich ein neuartiger Hörrausch geboten. Erwartet man den bekannten Klang, wird man erschrecken.

Rachmaninov war mit der Uraufführung seiner 1. Symphonie unzufrieden, « Die Missakkorde in der Sinfonie entnervten mich“, « die knarrenden Misstöne, die Grunzgeräusche und Verstimmungen des Orchesters » ärgerten ihn. Das Urteil kann man in dieser Deutung durchaus nachvollziehen, da die Schärfe und Kantigkeit der Ausführung diesen Charakter unterstützt. Auch die Darstellung des Caprice bohémien betont mehr den zweiten Teil des Titels mit seiner dunklen Temperierung als den ersten, der ein fröhliches Volksfest vermuten ließe. Die Toteninsel bekommt in dieser Sicht eine weniger traumatische Ausformung als man es üblicherweise erlebt.

Über alle fünf vorgestellten Werke hinweg bieten das WDR Sinfonieorchester und Cristian Macelaru eine durchgehend einheitliche Herangehensweise und Art der Darstellung, so dass der dahinter stehende Ansatz uneingeschränkt zum Tragen kommt.

Das selten zu hörende Caprice bohémien erfährt hier eine überzeugend kraftvolle Hebung aus dem Schattendasein. Wer Rachmaninov gestählter als meist zu hören erleben möchte, ist hier bestens aufgehoben.

Rarely has music been heard so well formed. Transferred to a body, every muscle and every fiber is perfectly defined. The razor-sharp brass instruments dissect the sounds in an extremely striking and brash way. Not an ounce of fat is too much to hear on these compositional bodies. The flabby lumps or even fat bellies of the strings in other interpretations have been trained away here. Only the slimmed-down version can be heard here, which allows for agile playing. The woodwinds have also undergone the horse cure and are agile and responsive.

To avoid mistakes, such a streamlined organism enjoys excellent health, as everything fits together organically without any compromises. All components work tirelessly without fatigue. There are no sore muscles or other malfunctions. Everyone is fit.

The sound of these athletic interpretations is clearly different from the usual. The second symphony in particular, often a feel-good oasis for emotional listeners, presents itself here in a rather neutral way, albeit at the highest technical level. If you appreciate such an unfamiliar approach, you really are offered a new kind of listening experience. If you expect the familiar sound, you will be shocked.

Rachmaninov was dissatisfied with the premiere of his Symphony No. 1: “The discordant chords in the symphony unnerved me”, “the creaking discords, the grunting noises and detuning of the orchestra” annoyed him. This judgment can certainly be understood in this interpretation, as the sharpness and angularity of the performance supports this character. The performance of the Caprice bohémien also emphasizes the second part of the title with its dark temperament more than the first, which would suggest a cheerful folk festival. In this view, the Isle of the Dead takes on a less traumatic form than is usually experienced.

Across all five works presented, the WDR Symphony Orchestra and Cristian Macelaru offer a consistent approach and style of performance throughout, so that the underlying approach is fully effective.

The rarely heard Caprice bohémien is given a convincingly powerful lift out of the shadows here. Anyone who wants to hear Rachmaninov in a more steeled state than usual is in good hands here.

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