Nach zehn Jahren ist es soweit: Die letzte, 20. Folge der (insgesamt 27 CDs umfassenden) Gesamteinspielung des Œuvres von Heinrich Schütz unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann bei Carus liegt vor. Der Schlussstein ist sozusagen gesetzt und dank einer wiederum herausragenden künstlerischen Leistung von robuster Stabilität. Es ist nicht die einzige Tonträgersammlung auf dem Markt, die sich anschickt ‘Schütz complete’ zu präsentieren – doch in dieser Breite, Tiefe und Güte ist Carus absolut konkurrenzlos.
Vol. 20 präsentiert Psalmen und Friedensmusiken – allesamt selten gehört, der letzte Track, das Trostlied (SWV 502), erscheint gar als Weltersteinspielung. Rademann kann seine kluge und kundige Interpretation wiederum auf erlesene und Schütz-erprobte Solisten sowie den makellos transparent intonierenden und höchst homogen agierenden Dresdner Kammerchor stützen. Solistisch, im Ensemble oder Tutti und in verschiedenen, exzellenten Instrumentalbegleitungen – stets hört man höchste Vokalkunst, die zur schlichten Einsicht führt: Besser kann man das einfach nicht musizieren.
Dass man sich zuweilen – wie bei SWV 268, dem Danklied Fürstliche Gnade zu Wasser und Lande – wie in einem lebendig gespielten Musiktheater wähnt, zeugt für die veritable Mehrdimensionalität, in der hier Musik gemacht wird. Hervorgehoben sei Tenor Georg Poplutz, jedoch (obgleich verdient) nicht seiner Kunst wegen: Er singt SWV 501 Mit dem Antiphone, die Trauermusik zum Tode von Schütz‘ Frau Magdalene, bescheiden und daher umso eindringlicher. Hier kommt der Hörer dem Komponisten (und notabene Textdichter) unglaublich nah, spürt förmlich den Schmerz, den der Tod der Gattin 1625 bei ihm hinterlassen hat. Es war Rademanns erklärtes Ziel, über die Musik auch der Person von Heinrich Schütz zu begegnen. Dies ist ihm in den zehn Jahren, in denen die Gesamteinspielung entstand, zweifelsohne gelungen.
Dass man sich diese Zeit genommen hat, ist in jeder der Aufnahmen, auch in dieser letzten, greifbar. Auch die Konstanz bei der Besetzung und der Wahl des Aufnahmeorts, die Radeberger Stadtkirche Zum Heiligen Namen Gottes, erweist sich nicht nur im Rückblick als großer Gewinn. In einem Interview hat der Dirigent betont, dass seine Arbeit an diesem Projekt auch eigene Forschung war, an der er den Hörer gerne teilhaben lässt. Eine gewonnene Erkenntnis hat er sich dabei zu Eigen gemacht: Hans-Christoph Rademann versteht Schütz und seine Musik als ‘Ausleuchter des Wortes’ – in diesem Fall war und ist der Dirigent ‘Ausleuchter der Musik’. Im Interview sagte er: « Wer Schütz hört, begreift, was Musik ist, ihre Bedeutung und Aussage.“ Man möchte hinzufügen: Wer Schütz so hört …