Maestro, Sie sind jetzt 75 Jahre alt und dirigieren immer noch recht fleißig. Haben Sie dafür ein besonderes Rezept?
Meine Tochter arbeitet an der Universitätsklinik in Pamplona und ist eine sehr gute Ärztin. Sie lässt mich weder essen noch trinken, und ich muss Sport machen. Aber, wie Sie sehen, betreut sie mich sehr gut.
Jedoch ist es wohl auch die Musik, die Sie jung hält?
Ich dirigiere rund 110 Konzerte im Jahr, zuzüglich etwa 250 Proben, das ist viel, aber keine Belastung, denn es macht mir sehr viel Spaß. Das einzige was mich stört, sind die Reisen. Mit dem Flugzeug zu reisen ist so unkomfortabel geworden, wirklich scheußlich!
Und wie entspannen Sie denn vor oder nach einem Konzert?
Ich benötige keine Entspannung, ich mag die Musik und ich denke, dass mit meinem Professionalismus meine Musik mir jedes Mal besser gefällt. Mehr brauche ich nicht!
Wann hatten Sie denn den Wunsch Dirigent zu werden?
Ich wollte schon als Kind Musiker werden. Mit sechs Jahren habe ich angefangen, meiner Mutter zu sagen, sie solle mir doch ein Instrument kaufen. Sie hat mir dann mir eine Geige gekauft und später ein Klavier. Ich habe beide Lehren absolviert und erst dann habe ich angefangen zu dirigieren. Am Anfang war ich Konzertmeister in einem kleinen Theater in Burgos und danach in dem Orchester der Stadt, und als ich später nach Madrid ging, fing ich an, im Theater zu dirigieren.
Haben Sie dadurch, dass Sie Geige studiert haben, eine besondere Beziehung zu den Streichern im Orchester?
Ja! Ich glaube, dass die Streicher den Klang des Orchesters angeben, und dann kommt alles andere dazu. Aber den Grundklang prägen die Streicher, und das ist für mich sehr wichtig.
Und was ist für Sie das Wichtigste, über den Klang hinaus, wenn Sie ein Werk einstudieren?
Das hängt vom Werk ab. Diese Woche dirigiere ich beim ‘Orchestre de Paris’ zwei ganz verschiedene Komponisten, Haydn und Rimski-Korsakow. Ich muss mich also auf zwei ganze unterschiedliche Stile einstellen. Der Stil ist etwas ganz Wichtiges. Eine Interpretation muss zunächst einmal stilistisch in Ordnung sein. Natürlich gibt es auch andere wichtige Elemente, die Präzision, die Balance und die Tempi, und schließlich muss man auch ein wenig Fantasie haben, um die Musik wirklich lebendig werden zu lassen. Last, but not least, muss man seine Seele in die Musik einbringen, denn ohne Seele geht gar nichts!
Berücksichtigen Sie auch die historische Aufrührungspraxis, wenn Sie Haydn dirigieren?
Ich übernehme das, was mir gefallen hat. Das Wichtigste, was die historische Aufführungspraxis gebracht hat, ist die Artikulation. Natürlich haben wir von denen gelernt, wie gewisse Verzierungen gemacht wurden und das ist auch akzeptabel. Nicht akzeptabel ist für mich, dass man ohne Vibrato spielen muss, dass es schlecht klingen muss. Das ist nicht annehmbar! Man kann von jedem Werk ganz verschiedene Interpretationen anstreben, nur muss alles, was man macht, auch wirklich stimmen. Man darf sich nicht hinter ein paar Regeln verstecken und keine Beziehung mehr zur Musik haben, das geht nicht!
Was ist denn Ihr Lieblingsrepertoire?
Ich versuche, kein Lieblingsrepertoire zu haben. Von mir verlangt man fast immer spanische Musik, denn es gibt sehr wenige spanische Dirigenten. Ich mache das auch sehr gerne, denn mir gefallen die spanischen Komponisten und ihre Musik sehr gut. Aber ich pflege auch die deutschen Klassiker und Romantiker, Mozart, Haydn, Beethoven, Strauss, Mahler. Mit französischen Orchestern spiele ich sehr gerne französische Musik oder mit italienischen Orchestern italienische Komponisten. Ich will mich nicht auf ein kleines Repertoire beschränken und habe in meinen Leben bisher etwa 700 Stücke dirigiert!
Gibt es denn auch Werke, die Sie noch nicht dirigiert haben und gerne noch dirigieren möchten?
Viele! Ich dirigiere jetzt ein halbes Jahrhundert lang und auch wenn ich es noch ein weiteres halbes Jahrhundert lang tun würde, hätte ich nicht alles dirigiert, was ich machen möchte.
Und wie steht es mit der zeitgenössischen Musik?
Ich habe immer und überall zeitgenössische Musik dirigiert und tue das auch heute noch!
Sie sind deutscher Abstammung, dirigieren viel spanische Musik, aber auch viel deutsches Repertoire. Sehen Sie sich irgendwie zwischen den Kulturen?
Ich glaube, bereits meine Ausbildung hat mich zwischen den Kulturen angesiedelt. Ich bin von deutschen Eltern in Spanien geboren und mein Musikstudium machte ich zunächst in Spanien, dann in Deutschland, so, dass die beiden Kulturen einfach in mir zusammen geschmolzen sind.
Und in welchem Land dirigieren Sie am liebsten?
Es gibt viele Orchester, mit denen ich eine gute Beziehung habe. Ich dirigiere jedes Jahr vier Wochen lang das ‘Boston Symphony Orchestra’, zweimal in der Saison, seit 30 Jahren bin ich immer wieder beim ‘Philadelphia Orchestra’. In Frankreich habe ich eine sehr gute Relation mit dem ‘Orchestre de Paris’, in London leite ich sehr oft das ‘Philharmonia’ und das ‘London Symphony Orchestra’…., also ich fühle mich eigentlich überall wohl!
Wie sehen Sie denn den Zustand der Klassikbranche allgemein? Es wird ja immerzu von der so genannten Krise der klassischen Musik geredet!
Ich würde nicht sagen, dass die klassische Musik sich in einer Krise befindet. Noch nie in der Geschichte haben so viele Leute klassische Musik gehört, wie heute, es gab ja auch noch nie so viele Orchester! Denken Sie doch nur an die Entwicklung der Klassik in Asien. Das ist phänomenal! Neben den Konzerten gab es früher nur Radio und Schallplatte, dann kam die CD und jetzt beginnt das Internet sehr wichtig zu werden für die Verbreitung der Musik. Von einer Krise kann man da nicht reden.
Haben Sie denn auch einen Computer?
Nein, ich reise fast das ganze Jahr und wenn ich auch noch drei Kilo Computer mit mir rumschleppen müsste, das wäre einfach zuviel!
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass mir der liebe Gott noch viele weitere Jahre mit guter Gesundheit beschert, so, dass ich weiterhin schöne Musik machen kann!