In der Philharmonie Luxemburg hat das Festival Rainy Days am dritten Tag wiederum zwei Aufführungen terminiert, bei denen unser Mitarbeiter Uwe Krusch gelauscht hat.
Nachmittags standen drei Werke auf dem Programm, wobei das erste schon begonnen hatte, während die Zuhörer Grüppchen für Grüppchen den Saal betraten. Die bereits Anwesenden summten jeweils zur Begrüßung einen Ton und jeder Angekommene hatte sich daran zu beteiligen. Die Komponistin Pauline Oliveros hat sich unter dem Titel Sonic Meditations eine Reihe von Spielanweisungen festgelegt, bei denen das Publikum mitwirkte. Damit wurde die klassische Aufteilung Publikum Ausführende aufgehoben und jeder konnte ohne Vorkenntnisse daran teilnehmen und Töne erzeugen, erfahren, hören und sich daran erinnern. In diesem Sinn führt dieser Teil IX The Greeting dazu, dass jeder Neuankömmling mit einem gesummten Ton empfangen wurde und diesen dann selbst an die nächsten weiter gab. Das sorgte für eine erwartungsvolle ansonsten ruhige Stimmung im Saal, die neben der Beobachtung der Reaktionen neuer Gäste bereits auf das Konzert einstimmte.
Dann ging es aber klassisch weiter mit Seadrift von Per Nørgård und Infiniti nero von Salvatore Sciarrino. Beide Werke sind kammermusikalisch besetzt und bereichert um eine solistische Sopranistin, hier Sarah Maria Sun. Sein Werk auf ein Gedicht von Walt Whitman gestaltet Nørgård mit der von ihm entwickelten Unendlichkeitsreihe, bei der ausgehend von einem Intervall ein geregeltes Fortschreibungsprinzip verfolgt. Mit Violinen, Cello, Flöte, Klavier, Gitarre und Schlagzeug neben der Sängerin farbig besetzt, lässt es ein sehr ambitioniertes Klangbild entstehen, das der irdischen Liebe huldigt.
Infiniti nero bietet Sciarrinos Abbilden der Lautäußerungen der als Mystikerin im 16. Jahrhundert lebenden Maria Maddalena di Pazzi, die auch als teuflisch angesehen. Diese Besessenheit äußerte sich in teilweise salvenartig hervorgestoßenen Wortsalven, dann wieder Schweigezeiten und dazu sich verrenkenden Bewegungen. Auf der Basis sehr zurückgenommener Lautstärkemaße bildet Sciarrino diese Merkmale in der Komposition ab.
Sarah Maria Sun und die Instrumentalisten von United Instruments of Lucilin entwickelten die eher wogende Seadrift und das leise malende Infiniti nero jeweils mit großer Hingabe und intensiver Deutung. Dass Sun dabei kaum einmal klassisch singen konnte, tat der Qualität ihrer Darbietung keinen Abbruch. Mit diesem Konzert hatten die Rainy Days einen neuen Höhepunkt erreicht.
Am Abend folgte dann der minimalistische Teil mit Musik von Steve Reich. Mit Piano Phase für zwei Klaviere und Eight Lines für Ensemble standen sozusagen zwei alte Werke auf dem Plan, die von den Musikern des Ensemble Intercontemporain, das bei den Lines von George Jackson zusammen gehalten wurde, ans Ohr gereicht wurden. Dabei stellt Piano Phase eine fast unmögliche Anforderung an die beiden Pianisten, Hidéko Nagano und Dimitri Vassilakis, die unmerklich variierenden rasanten Linien im Zusammenspiel durchzuhalten. Das gelang hier in beeindruckend stoischer Konsequenz.
Bei Eight Lines und dem jüngst komponierten Reich/Richter für großes Ensemble konnten dann alle Mitglieder des Ensemble Intercontemporain ihre Vertrautheit mit den Anforderungen des Komponisten zeigen. Dabei kam auch zur Geltung, dass auch die minimalistische Musik sich weiterentwickelt hat. In einer quasi dreiteiligen Struktur mit langsamer Mitte sind die neuen Formen nicht mehr so starr wie in den früheren Werken.
Gerhard Richter und Corinna Belz haben einen Film von waagerechten Linien, die oszillieren und dann weiter zu großformatigen farbigen Figuren wie Rohrschach oder weniger freundlich psychedelischer Natur entwickeln, um am Ende wieder zum Ausgang zurückzukehren, geschaffen, an den Reich sein Komposition angebaut hat. Dabei funktionierte die Zusammenarbeit eher auf schriftlicher Basis. Trotzdem pflanzt sich die Musik ebenso von einfachen Formen über komplexere Sachverhalte fort. So ist ein mehr als halbstündiges Gesamtwerk entstanden, das mitunter mit den oszillierenden Formen die Augen strapaziert, aber eine dialogierende Beziehung zwischen Akustik und Optik schafft und so einen neuen Blickwinkel eröffnet.
Mit diesem zwei Sinne einspannenden gelang ein überzeugender Abschluss des ersten Rainy Days-Wochenendes, bevor es in die Pause bis zum nächsten ging.