Maurice Ravel schrieb seine Ballettmusik ‘Daphnis et Chloé’ für die ‘Compagnie Serge Diaghilev’ auf eine Bearbeitung der griechischen Legende von Longus. Er nannte seine Komposition ‘symphonie chorégraphique’ und Diaghilev hielt sie für mehr ‘symphonique’ als ‘chorégraphique.’ Daher verwundert es nicht, dass die Musik im Konzertsaal erfolgreicher wurde als auf der Ballettbühne. Am populärsten sind wohl die beiden Suiten, doch in letzter Zeit entstanden immer mehr Gesamtaufnahmen, was nur richtig ist, denn ‘Daphnis et Chloé’ ist nicht nur das längste Werk Ravels, es ist auch eines seiner perfektesten.
Wie vor ihm andere Dirigenten, namentlich Myung Whun Chung, legt Slatkin weniger Wert auf das Dramatische als auf das Reflektive, das Traumhafte und das Sensuelle der Musik. Damit trägt er dem Rechnung, was Ravel vorschwebte: « Mon intention, en l’écrivant, était de composer une vaste fresque musicale, moins soucieuse d’archaïsme que de fidélité à la Grèce de mes rêves, qui s’apparente assez volontiers à celle qu’ont imaginée et dépeinte les artistes français de la fin du XVIIIe siècle. (Meine Absicht bestand darin, eine weitläufige musikalische Freske zu komponieren, in der es weniger um das Archaische geht als um das Griechenland meiner Träume, das ziemlich demjenigen gleichkommt, das sich die französischen Künstler am Ende des XVIII. Jahrhunderts vorgestellt und gemalt haben).
Selbstverständlich ist die Musik, wo sie sie Dramatik verlangt, auch bei Slatkin dramatisch und leidenschaftlich, im Schlussbild wirklich frenetisch, aber bewundern tun wir vor allem die Nuancen, das oft zart-poetische und seidige schimmernde Orchesterspiel mit zauberhaften Schattierungen und viel feinem Raffinement.
Dabei bleibt das Spiel immer spannungsvoll und fast magisch evokativ. Slatkin kommt hierin Chung näher als dem insgesamt noch rhetorischer und fieberhafter dirigierenden Nézet-Seguin.
In ‘Une barque sur l’océan’ leistet Slatkin viel Feinarbeit in seinem Orchester, das mit ziselierenden Klängen und drohendem Grollen das symphonische Tableau sehr realistisch, sehr tonmalerisch werden lässt. So viele Wellen habe ich in diesem Werk noch nie gehört.