Die virtuose Sonate KV 284, die Sechste und bis dahin längste des 19-jährigen Mozart, spielt William Youn mit viel Drive im ersten Satz und mit genau so viel Schalk im Rondeau en Polonaise. Auch der dritte Satz, ein Thema und 12 Variationen, bekommt bei Youn eine gute Portion Humor, aber auch Melancholie und manchmal wunderschön formulierte Zärtlichkeit.
Die Sonate KV 309 hat einen ersten Satz, der mit ‘con spirito’ überschrieben ist. Und diesen Esprit kredenzt William Youn in reichem Maße, frisch und voller Spontaneität. Das Andante blüht in schönstem Charme auf, das Allegretto grazioso erlangt eine phänomenale Plastik der Deklamation und behält trotz viel Klangphantasie einen Charakter von schönster Natürlichkeit.
Diese bei aller Freiheit und Gedankenfülle gewahrte Natürlichkeit des Ausdrucks macht auch die Fantasie KV 475 zum Erlebnis. Resignation, Schmerz und Verzweiflung kommen hier in einer Wahrhaftigkeit zum Ausdruck, dass man ob dieser seelischen Nähe zum Komponisten schon fast an Okkultismus denken kann.
Im Mai 1785 trug Mozart diese Fantasie in sein Werkverzeichnis ein und veröffentlichte sie gemeinsam mit der (gut ein halbes Jahr zuvor komponierten) Sonate c-Moll KV 457, deren Einleitungs-Allegro William Youn mit viel Entschlossenheit interpretiert. Im Adagio spielt der Pianist derart mit den Farben, mit Licht und Schatten, dass der Satz zu einem ganz aufregenden Musikerlebnis wird. Spannend macht seine Rhetorik auch das Finale, das letzte Wort in Youns Gesamtaufnahme der Mozartsonaten.
Mit ihr hat der Koreaner (*1982) gezeigt, dass er als Mittdreißiger bereits zu den größten Mozart-Interpreten der Schallplattengeschichte zu zählen ist. Sein Mozart ist der des natürlichen Ausdrucks, der aus analytischem Denken und musikalisch-lyrischem Empfinden heraus entsteht. Das gibt Youns Spiel die vollkommene Verbindung von Transparenz, spontaner Verinnerlichung, feinstem poetischem Nuancieren und einer wie improvisatorisch anmutenden Frische. Youns Mozartzyklus hat Referenzcharakter.