Dieser Livemitschnitt der rekonstruierten Markus-Passion entstand in der Schlosskapelle in Versailles. Die Savall-Fassung wurde von der Musikwissenschaft genau so wenig gutgeheißen wie jene, die Ton Koopmann erstellt hat. Die Diskussion, welche Musik an welcher Stelle des allein übrig gebliebenen Librettos der Passion eingesetzt werden soll, zeigt allerdings schon ziemlich deutlich, dass keine der rekonstruierten Fassungen ein wirkliches Ganzes ergeben kann. Die mangelnde Kohärenz ist bei der Savall-Version so deutlich zu spüren wie bei der Koopman-Version. Sagen wir es mal so: wir hören zwei Stunden Bach-Musik auf den Text der Passion, ohne dass diese Musik ein wirklich schlüssiges Ganzes ergibt. Das gilt wohl nicht nur für die rekonstruierten Fassungen, denn es ist heute gewusst, dass Bach selber für diese 1731 und 1744 aufgeführte Passion viel recyceltes Material benutzt hatte. Man darf also davon ausgehen, dass die Markus-Passion nie, auch nicht zu Bachs Zeiten, die Qualität der Johannes- oder der Matthäus-Passion erreichte.
Savalls Fassung räumt dem Drama wenig Platz ein und zeichnet sich allgemein durch einen sehr meditativen und ruhig-besinnlichen Charakter aus.
Der wirkliche Nachteil dieser Produktion aber kommt durch die hallige Aufnahme, die etwas dröhnt und insbesondere den tiefen Männerstimmen zu schaffen macht. In der Rolle des Jesus fehlt es Konstantin Wolffs ausdrucksvoller Stimme erheblich an Relief, und das gilt auch für die anderen Sänger dieses Fachs. Sehr gut zu vernehmen und wirklich prächtig gesungen ist der Evangelist von David Szigetvari. Auch die Sopranistin Marta Matheu, der Countertenor Raffaele Pé und der Tenor Reinoud Van Mechelen können überzeugen.
Nicht sehr vorteilhaft ist die Akustik für die Stimmen der ‘Capella Reial de Catalunya’ und des Kinderchors ‘Amics de la Unió!’. Unausgewogen klingt auch ‘Le Concert des Nations’, so gut die Musiker auch spielen mögen. Generell empfinde ich den dumpfen Klang der Aufnahme auf Dauer ermüdend.
Jordi Savall is conducting the performing version of Bach’s Markus Passion that he and Alexander Grychtolik compiled, using the music of various works by Bach. The overall fine performance was recorded at the Royal Chapel in Versailles, the sound is dull and disadvantaging for all the deeper voices and instruments.