Werke von Richard Strauss, in denen der Violine die tragende Rolle zukommt, allerdings ohne Bearbeitungen etwa von Liedern, hat Renaud Capuçon für diese Sammlung gewählt.
Schon in seiner Studienzeit in Berlin kam er im Gustav Mahler Jugendorchester unter Claudio Abbado sowie unter Seiji Ozawa mit den Werken des Komponisten in engen Kontakt. Ein Mitschnitt aus Salzburg vom Beginn des Jahrtausends, bei dem er mit Ozawa im Heldenleben als Konzertmeister die Soli spielte, ist die mit Abstand älteste Aufnahme. Die jungen bestens disponierten und ausgebildeten Musiker liefern insgesamt eine spannende Aufführung. Capuçon erleben wir als jungen Solisten, der sich der Aufgabe locker gewachsen zeigt und das Solo mit sicherem Ausdruck gestaltet. Man kann aber auch den Eindruck gewinnen, dass er, wie vielleicht das gesamte Orchester, der Aufgabe mit Respekt begegnet. So hört man das Werk tadellos geformt, vielleicht ein wenig ehrfürchtig. Die Chuzpe reiferer Musiker ist nicht zu hören. Als Fehlen mag man das nicht wahrnehmen.
Vom jungen Strauss bietet Capuçon dann die beiden Werke an, die die Solovioline sozusagen im Titel verheißen, das Konzert und die Sonate. Das Konzert erklingt seitens des Orchesters als eine der ersten Einspielungen der Wiener Symphoniker mit dem neuen Chef Petr Popelka. Diese Einspielung, wie alle anderen, jüngeren Datums, zeigt dann den gereiften und freier auftretenden Capuçon, der die Schwierigkeiten des Werkes einfach unhörbar in seinem glänzenden Spiel versteckt. Das Orchester und Popelka bieten die klangvolle Umgebung, die das Ensemble als zupackend und gezielt formend erkennen lässt, aber klangliche Schärfen und Zuspitzungen meidet und so zusammen mit dem Solisten die im Werk angelegte Melodik und Poetik hebt.
Die Sonate mit dem ständigem Klavierbegleiter Guillaume Bellom wird in ihren für ein Kammermusikwerk virtuos zu nennenden Ansprüchen von den Interpreten exzellent verwirklicht, ohne dabei auf dieser Ebene zu verharren. Vielmehr kitzeln sie die Farbigkeit und tieferen Schichten heraus und geben so kristallin Intensität und Struktur zu Gehör.
Ganz allein widmet sich Capuçon der gerade einmal 90 Sekunden langen Daphne-Etüde nach einem Thema aus der gleichnamigen Oper. Dabei gelingt es ihm in der kurzen Zeit, Den Geist der Oper herauszulocken, um das mystische Sujet anzudeuten.
Das Klavierquartett, nochmals ein Werk des jungen Strauss, bieten die vier Instrumentalisten in einer von Beginn an fast umwerfend intensiven Darstellung an, die über die gesamte Zeit von rund 40 Minuten gehalten wird. Bratscher Paul Zientara und Cellistin Julia Hagen komplettieren die Besetzung für dieses Werk. Die Musiker entfalten die Facetten des formal noch an überbrachten Mustern orientierten Quartetts mit faszinierender Sorgfalt, so dass der noch den Charakter der Musik von Brahms erinnernde erste Satz gefolgt wird von einem wie kochend sprudelnden zweiten Satz. Eine relativ zurückhaltende innige Stimmung verbreiten sie im dritten Satz, wohingegen sie den vierten Satz, der von sich aus ein wenig abweisend wirkt, dank ihres feinsinnig abgestimmten Agierens mit Wärme füllen.
Das Streichsextett für Capriccio bietet den Einstieg in die Handlung. Renaud Capuçon und Christoph Koncz, ebenfalls Violine, die Bratscher Gérard Caussé und Veronika Hagen sowie Clemens und Julia Hagen am Cello schaffen es bereits hier, die einzelnen Stimmen zu einer Einheit zu fügen und doch auch die Eigenständigkeit jedes Spielers zu wahren, so dass jedes Instrument und jeder Spieler seinen unverwechselbaren und unverzichtbaren Anteil haben.
Noch ein Stück weiter realisieren sie die Zeichnung der Einzelnen in der Einheit des gesamten Klanges bei den Metamorphosen. Zusätzlich hat hier Alois Posch den Part des Kontrabasses übernommen. Bei diesen Solisten wird die auf sieben Stimmen fokussierte Urfassung des üblicherweise für 23 Solostreicher bekannten Werkes zu einem grandios dichten Gewebe gewirkt. Sie zeigen mit gestalterischer Verve, ohne deswegen pastos zu übertreiben, diese Studie von Strauss als tolles Konzertwerk. Auf diese Weise interpretiert wird selbst die Septettfassung zu einem Hochgenuss an energetischer Dichte und ziselierter Feinarbeit zur gleichen Zeit.
Die Kollektion ermöglicht einen faszinierenden Blick auf Capuçon, seine Entwicklung sowie sein Wirken als Solist und Kammermusiker und bietet mit dem Fokus auf Richard Strauss eine rundum gelungene Bestandsaufnahme.
Renaud Capuçon has chosen works by Richard Strauss for this collection in which the violin plays the leading role, but without arrangements of songs, for example.
As a student in Berlin, he came into close contact with the composer’s works in the Gustav Mahler Youth Orchestra under Claudio Abbado and Seiji Ozawa. A recording with Ozawa from Salzburg from the beginning of the millennium, in which Capuçon played the solos as concertmaster is by far the oldest recording. The young, excellently young, well-trained musicians deliver an exciting performance overall. We experience Capuçon as a young soloist who is easily up to the task and performs the solo with assured expression. But one can also get the impression that he, like perhaps the entire orchestra, treats the task with respect. Thus one hears the work impeccably shaped, perhaps a little reverently. The chutzpah of more mature musicians is not to be heard. One may not perceive this as a lack.
Capucon then offers the two works by the young Strauss that promise the solo violin in the title, so to speak: the concerto and the sonata. The concerto is played by the orchestra as one of the first recordings of the Vienna Symphony Orchestra with the new conductor Petr Popelka. This recording, like all the others of more recent date, shows a mature and freer Capuçon, who simply hides the difficulties of the work inaudibly in his brilliant playing. The orchestra and Popelka provide a sonorous environment that reveals the ensemble to be gripping and purposefully formative, but avoids tonal sharpness and exaggeration, thus enhancing the melodic and poetic quality of the work together with the soloist.
The sonata with the permanent piano accompanist Guillaume Bellom is excellently realized by the performers in its demands, which can be called virtuoso for a chamber music work, without remaining on this level. Rather, they tease out the colorfulness and deeper layers and thus provide crystalline intensity and structure.
Capuçon devotes himself entirely to the Daphne Etude, which lasts just 90 seconds and is based on a theme from the opera of the same name. In this short time, he succeeds in drawing out the spirit of the opera to hint at the mystical subject.
The piano quartet, another work by the young Strauss, is offered by four instrumentalists in an almost stunningly intense performance right from the start, which is sustained over the entire duration of around 40 minutes. Violist Paul Zientara and cellist Julia Hagen complete the line-up for this work. The musicians unfold the facets of the quartet, which is still formally oriented towards traditional patterns, with fascinating care, so that the first movement, which still recalls the character of Brahms’ music, is followed by a second movement that seems to bubble over like a boiling pot. They spread a relatively reserved, intimate mood in the third movement, whereas they fill the fourth movement, which seems a little forbidding on its own, with warmth thanks to their finely tuned playing.
The string sextet for Capriccio provides the introduction to the plot. Renaud Capuçon and Christoph Koncz, also on violin, the violists Gérard Caussé and Veronika Hagen and Clemens and Julia Hagen on cello already succeed here in combining the individual voices into a unity and yet also preserving the independence of each player, so that each instrument and each player have their unmistakable and indispensable part.
In the Metamorphoses, they go a step further in realizing the drawing of the individual parts in the unity of the overall sound. In addition, Alois Posch has taken on the part of the double bass. With these soloists, this original version of the work, which is usually known for 23 solo strings, is woven into a grandiose, dense fabric. They present this study by Strauss as a great concert work with creative verve, without overdoing it. Interpreted in this way, even the septet version becomes a delight of energetic density and chiseled precision work at the same time.
The collection provides a fascinating insight into Capuçon, his development and his work as a soloist and chamber musician and, with its focus on Richard Strauss, offers an all-round successful recording.