Robert Levins Aufnahme der Sechs Partiten ist an sich perfekt, und gleichzeitig etwas überlebt. Levin huldigt noch dem Geist einer Zeit, wo man Bach als intellektuell, kopflastig und emotionslos angesehen hat, mit mathematisch strenger Analyse, bei der es mehr auf Form denn als auf musikantischen Gestus ankam. Viele Interpreten der jüngeren Generation haben sich die Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungspraxis zu Nutze gemacht und weiterentwickelt. Und sie haben dabei einen Bach entdeckt, der quicklebendig ist, der Humor hat, dessen Musik ebenso swingt wie sie zu großen Gefühlen mächtig ist. All dies fehlt in Levins Interpretation, die am Ende sehr lehrbuchhaft und mit quasi erhobenem Finger daherkommt. Levin sagt: « Der grundlegende Geist meiner Interpretation spiegelt sich im Ausdruck des Glaubens wider, der aus jeder von Bachs Noten klar spricht. Bachs Partituren tragen Signaturen wie ‘JJ’ (Jesus Juva – Jesus, hilf), ‘In nomine Jesu’ (Im Namen Jesu) oder ‘SDG’ (Soli Deo Gloria – Gott allein die Ehre). Um die Wahrheit zu sagen, ich versuche nicht, Bachs Werk in eine ‘schöne’ Musik zu verwandeln. Es bleibt virtuos, eine technische Herausforderung. Die Aufgabe des Interpreten ist es, das richtige Gleichgewicht zwischen intellektueller Disziplin und musikalischem Ausdruck zu finden. Er muss überzeugen und bewegen. » In dem Sinne: Ein Retro-Bach für Intellektuelle.
Johann Sebastian Bach: 6 Partiten BWV 825-830; Robert Levin, Klavier; 3 CDs Palais des Dégustateurs PDD017; Aufnahme: 07/2017, Veröffentlichung 31/05/19 (o.A.) - Rezension von Alain Steffen