Drei kammermusikalisch besetzte Werke von Wolfgang Rihm bietet diese CD an, was vor allem bei einem Stabat Mater überraschen mag. Doch dieses Werk hat mit dem Bariton Christian Gerhaher und der Bratscherin Tabea Zimmermann eine extrem reduzierte Besetzung. Größer ist die Besetzung der anderen beiden Werke mit sechs bzw. zehn Musikern. Bei der begrenzten Zahl an Mitwirkenden kommt jedem eine Solistenrolle zu, bei ‘Male über Male 2’ wird aber schon im Subtitel die Klarinette gegenüber den neun anderen Instrumenten herausgestellt. Diesen Part übernimmt Jörg Widmann. Im Übrigen sind Musiker aus dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks die Interpreten.
Ein Kennzeichen des Komponierens von Wolfgang Rihm sind die eigenen Zweifel am Geschaffenen. Diese führen einerseits immer zu neuen Werken, aber auch zu Rückblicken, aus denen heraus frühere Stücke überarbeitet werden wie auch bei der zeitgleich veröffentlichten Komposition Jagden und Formen (Rezension siehe unten) Das äußert sich dann oft auch in aufeinander bezogenen Werktiteln. Hier entstand das Klavierwerk Nachstudie ein Jahrzehnt vor Sphäre nach Studie. Zu dem Klavier treten hier neben einer Harfe je zwei Schlagzeuge und Kontrabässe. Dabei lässt er die ursprüngliche Komposition unangetastet.
In einigen Aspekten ähnlich verhält es sich mit ‘Male über Male 2’, die den Klarinettenpart aus ‘4 Male’ mit einer Ensemblebesetzung ähnlich wie bei Sphäre über Studie umgeben, nur dass zwei Harfen, Schlagzeug und Klavier neben einem Quintett aus tiefen Streichern den ebenso unveränderten Klarinettenpart umhüllen und nicht etwa im Gegensatz zu einem Solo stehen.
Der aus der katholischen Liturgie seit Franz von Assisi stammende Text des Stabat Mater ist für Rihm eher eine dichterisch gefasste Betrachtung eines Bildes. Damit eröffnet sich für Rihm das Feld für eine emotionale Auseinandersetzung damit.
Für diese drei Werke bieten neben den Musikern des Orchesters drei namhafte Solisten ihre Interpretationen an. Dass der technisch und musikalisch fordernde Part der Klarinette bei Jörg Widmann bestens aufgehoben ist, vermag kaum zu überraschen, hat er das ursprüngliche Werk ‘4 Male’ bereits gespielt. Hier bettet er die fragilen Partien in das Ensemble ein oder dieses umhüllt ihn. Alle Beteiligten in den beiden Ensemblestücken wissen den Spuren der Musik mit gewieftem Können und einfühlsamem Einsatz zu folgen und sie kenntnisreich zu lesen.
Das Stabat Mater wird auch hier von den Widmungsträgern und Uraufführenden gespielt. Das Stück mit seiner nach innen gerichteten Virtuosität scheint mit einfachsten Mitteln zu wirken. Dank der überragenden Qualitäten beider Interpreten transportieren die beiden Musiker das Stück als Kunstwerk auf die Bühne. Dabei zügeln sie die denkbare Expressivität, die man sich stärker denken könnte. Das wird insbesondere deutlich, wenn in der siebten Strophe der ausgesungene dunkle Reimbuchstabe « o » durch Gerhaher gebändigt wird, wo Rihm diesen Klagelaut doch hochexpressiv setzt. Tabea Zimmermann stellt eine wilde und weite Kadenz dagegen. Wer auf das Paradies hofft, mag hier zu kurz kommen, weil die aus dem Glauben kommende Zuversicht nicht im Zentrum der Betrachtung der Interpreten steht. Vielleicht wird hier der Unterschied zwischen einer Konzertbühne und einer Kirche hörbar.
Three works by Wolfgang Rihm with chamber music instrumentation are on this recording, which may be surprising especially in the case of a Stabat Mater. With baritone Christian Gerhaher and violist Tabea Zimmermann this work has an extremely reduced instrumentation. Larger is the instrumentation of the other two works, with six and ten musicians respectively. With the limited number of participants, each has a soloist role, but in Male über Male 2 the subtitle already emphasizes the clarinet over the nine other instruments. This part is taken over by Jörg Widmann. For the rest, musicians from the Bavarian Radio Symphony Orchestra are the performers.
A characteristic of Wolfgang Rihm’s composing are his own doubts about what he has created. These always lead to new works, but also to retrospectives from which earlier pieces are revised, as in the case of the composition Jagden und Formen, published at the same time [review see underneath]. This is then often expressed in work titles that refer to one another. Here, the piano work Nachstudie was written a decade before Sphäre nach Studie. The piano is joined here by a harp, two percussion instruments and two double basses. Rihm leaves the original composition untouched.
Similar in some respects is Male über Male 2, which surrounds the clarinet part from 4 Male with an ensemble scoring similar to that of Sphäre über Studie, except that two harps, percussion, and piano alongside a quintet of low strings surround the equally unaltered clarinet part rather than contrasting with a solo.
The text of the Stabat Mater, which comes from the Catholic liturgy since Francis of Assisi, is for Rihm rather a poetically composed contemplation of an image. This opens up the field for Rihm’s emotional engagement with it.
For these three works, in addition to the musicians of the orchestra, three renowned soloists offer their interpretations. It is hardly surprising that the technically and musically demanding part of the clarinet is in good hands with Jörg Widmann, who has already played the original work 4 Male. Here he embeds the fragile parts in the ensemble or it envelops him. All participants in the two ensemble pieces know how to follow the traces of the music with shrewd skill and sensitive use and to read it knowledgeably.
The Stabat Mater is played by the dedicatees and first performers. The piece, with its inward virtuosity, seems to work with the simplest of means. Thanks to the outstanding qualities of both performers, the two musicians transport the piece onto the stage as a work of art. At the same time, they restrain the conceivable expressivity, which one could imagine to be stronger. This becomes especially clear when in the seventh verse the sung-out dark rhyming letter « o » is tamed by Gerhaher, where Rihm nevertheless sets this lament highly expressive. Tabea Zimmermann contrasts it with a wild and wide cadenza. Those who hope for paradise may fall short here, because the confidence that comes from faith is not the focus of the performers’ consideration. Perhaps the difference between a concert stage and a church becomes audible here.