Der 19-jährige Robert Neumann, Gewinner des Discovery Award 2017 der International Classical Music Awards (ICMA) legt bei SWR Music seine erste CD vor. Ich habe den Pianisten als einen sehr intelligenten und redegewandten jungen Mann kennen gelernt, und diese Rhetorik findet sich auch in diesem Klavierprogramm. In C.P.E Bachs Fantasie führt sie freilich auf einen sehr speziellen Weg, den nicht jeder bereit sein wird, mit dem jungen Pianisten zu gehen. Mit über 14 Minuten ist seine Aufnahme die längste, die ich kenne. Die späte, freie Fantasie trägt den Untertitel ‘C. P. E. Bachs Empfindungen’, und diesen Empfindungen spürt Neumann in einer Art von nächtlichem Fantasieren nach. Das wirkt sehr verträumt und manchmal auch etwas statisch.
Robert Neumanns Beschäftigung mit Chopins Etudes op. 25 ist unbestreitbar spannend. Das ist kein jugendlich ungestümes Muszieren, sondern eines, das gut durchdacht und vorbereitet ist. In der Art, wie er wirklich jeden Ton bearbeitet, ob zart oder kraftvoll, erinnert er mich an Sokolov, ohne freilich dessen Spontaneität zu erreichen. Doch auch so kommt die Bedeutung, die Neumann dem Klang seines Spiels zumisst, aus einer seltenen Konzentration und lässt seine Interpretationen in einem ganz besonderen Maße interessant werden. Neumann spielt sehr persönlich, nie aufdringlich zwischen kontrollierter Dramatik und schönstem Belcanto, und gerade in den ruhigeren Etüden dringt er tief in Chopins gekränkte Seele ein. Dass diese Emotionalität nie artifiziell wirkt, zeigt, über welch feine Musikalität Neumann für sein junges Alter schon verfügt, eine Musikalität, die er mit seiner exzellenten Technik vorteilhaft in wirkliche Musik umsetzen kann.
Die Paganini-Rhapsodie geht Neumann mit spielerischem Elan an, in einem leicht-lockeren, prickelnden, rhythmisch sehr präzisen, dynamisch gut gesteuerten und daher auch sehr wachen Spiel, in dem er die Spontaneität zeigt, die ich in den Soloaufnahmen etwas vermisse. Die verträumten Passagen gelingen ihm nicht weniger gut, einfühlsam und lyrisch.
Kerem Hasan gelingt es, das klar artikulierte Spiel des Pianisten sowohl in den schnelleren Variationen als auch in den nachdenklichen Momenten effektvoll zu unterstützen und zu verzieren, so dass die Rhetorik in diesem Livemitschnitt insgesamt sehr spannend wird.
Wie sehr sich Neumann von anderen jungen, auf Show bedachten Tastenhengsten abgrenzen will, zeigt sein Bis, das er für das Publikum in der Stuttgarter Liederhalle spielte, Alexander Scriabins Etüde op. 2 Nr. 1, die er mit großer Subtilität und Eleganz phrasiert, fein expressiv und mit genau jener poetischen Vision, die zu Scriabin passt.
Und so ist diese CD denn auch der Beweis dafür, dass die Jury der ICMA Recht hatte, als sie Robert Neumann einen Discovery Award verlieh. Und weil ich immer fest an sein Talent geglaubt und den Pianisten meiner uneingeschränkten, aber nie unkritischen Unterstützung versichert habe, darf ich auch froh und sogar ein bisschen stolz auf das sein, was er hier leistet. Es ist hoffentlich nur die erste einer langen Reihe von Aufnahmen, mit denen er seine Signatur wird behaupten können. Dies wünsche ich ihm von ganzem Herzen.
The 19-year-old Robert Neumann, winner of the 2017 Discovery Award of the International Classical Music Awards (ICMA) presents his first CD on SWR Music. I have come to know the pianist as a very intelligent and eloquent young man, and this rhetoric is also found in this piano program. Admittedly, in C.P.E Bach’s Fantasy, it leads down a very particular path that not everyone will be willing to walk with the young pianist. At over 14 minutes, his recording is the longest I know. The late, free fantasy is subtitled ‘C. P. E. Bachs Empfindungen’, and Neumann traces these feelings in a kind of nocturnal fantasizing. This comes across as very dreamy and sometimes a bit static.