In Bela Bartoks ‘Konzert für Orchester’ distanziert sich Kent Nagano von den hell getönten, brillanten und schlanken Versionen, die man in rezenten Jahren hören konnte. So betont er das Feierliche des ersten Satzes mit einer heute eher unüblichen Emphase, wodurch der Satz schwerer lastet und einen Teil des Schwungs verliert, den andere Dirigenten hier effektvoll eingesetzt haben. Man glaubt, die Anstrengung zu hören, mit der der gesundheitlich angeschlagenen Komponist das Werk zu Papier brachte, sich aber auch immer wieder aufraffte für mehr Kraft und Elan. Bemerkenswert ist in diesem Satz (wie auch im übrigen Verlauf der Aufnahmen) die Qualität des Orchesters aus Montreal.
Der zweite Satz kommt nicht unbedingt so spritzig daher wie bei anderen Dirigenten, dafür aber sehr gestisch, mit pointierter Akzentuierung und klugem Rubato. Den mysteriösen Charakter der Elegie trifft Nagano mit reichen Orchestertexturen und einer wiederum sehr emphatischen Rhetorik. Der Finalsatz hat Kraft und Drive, und liefert einen beeindruckenden Schluss für diese im Ganzen interessante Interpretation, die eher ins Spätromantische denn ins Moderne tendiert.
Auch das Zweite Violinkonzert gerät romantischer als man das heute zu hören gewöhnt ist. Augustin Dumay spielt zupackend und mit viel Sonorität. Das alles hat – bei moderaten Tempi – Kraft und Gewicht, und in den ruhigeren Passagen wird der Klang so sehr zurückgenommen, dass ein ungewöhnlich spannender Kontrast entsteht.
Das Andante tranquillo wird zärtlich formuliert, sehr melancholisch, fast traurig, aber auch mit großer Innigkeit. Das Finale wird sehr kraftvoll und mit viel Schwung gespielt. Nagano lässt sein Orchester einen fetten Klang produzieren, der durchaus zum Werk und vor allem zum kräftig vibrierenden vollen Geigenklang Augustin Dumays passt.