80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird vielerorts mit Requiem-Aufführungen an die Opfer und Zerstörungen in Europa erinnert. Aus dem 20. Jahrhundert gehört dazu neben dem War Requiem von Benjamin Britten auch das Dresdner Requiem des legendären Dresdner Kreuzkantors Rudolf Mauersberger, soeben aufgeführt im Gewandhaus Leipzig unter der Leitung von Gregor Meyer. Michael Oehme berichtet.
11 Kruzianer kamen im Bombenhagel der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 in Dresden ums Leben. Schon am Karfreitag des gleichen Jahres vollendete Rudolf Mauersberger seine berühmte Trauermotette ‘Wie liegt die Stadt so wüst nach Worten’ aus den Klageliedern Jeremiae. Sie wird seitdem jeder Aufführung seines Dresdner Requiems aus dem Jahr 1948 vorangestellt. Das für seinen Kreuzchor und die Dresdner Kreuzkirche konzipierte Werk – mit einem Hauptchor und Instrumenten auf der Chorempore, dem Altarchor für die Christusworte und einem Fernchor im darüber liegenden klangvollen Treppenhaus erfuhr aus diesen Gründen nur selten Aufführungen außerhalb Dresdens.
Gregor Meyer, Chordirektor des Gewandhauschores ist es nach 2011 nun schon zum zweiten Mal gelungen, dieses bewegende Werk in einen säkularen Konzertsaal zu übertragen und die Zuhörer überdurchschnittlich emotional zu bewegen.
Meyer gelang eine absolut authentische Wiedergabe, erfasste wunderbar den Duktus der Musiksprache Mauersbergers mit dessen genialer (erschreckend heutiger) Textauswahl vorwiegend aus dem Alten Testament, den tröstlichen Christusworten und den wunderbar sinnfälligen Chorälen.
Mit dem GewandhausChor und dem GewandhausJugendchor standen Gregor Meyer dabei zwei leistungsfähige Laienensembles zur Verfügung, die sich diesem Werk mit spürbarer Leidenschaft angenommen haben. Es wäre ungerecht, den Knabenchorklang eines Kreuzchors am authentischen Dresdner Ort an diesem Abend in Leipzig zu vermissen. Bewegend und äußerst kultiviert gelangen zum Beispiel die Männerchorpassagen (Denn nun werde ich mich in die Erde legen, und wenn man mich suchen wird, werde ich nicht da sein …). Prächtig erklang im Gewandhaus auch das dreichörige Sanctus mit seinen Wechseln zwischen Hauptchor, Christus- und Fernchor. Wie von Rudolf Mauersberger vorgesehen, wird im Dresdner Requiem auch die Gemeinde, sprich hier das Publikum aufgefordert, bei zwei Chorälen (Mit Jubelklang … /Seid getrost und hoch erfreut …) mitzusingen und dem Ganzen eine hoffnungsvolle Note hinzugefügt.
Berührend waren die Knabensoli, alle von André Maier, einem Mitglied des GewandhausKinderchors gestaltet. Dass hier schon bei der Uraufführung 1948 der Knabenalt von Peter Schreier unerreichte Maßstäbe gesetzt hat, die zum Glück auf Tonaufnahmen festgehalten sind und Kennern des Werks ewig gegenwärtig bleiben werden, sei nur erwähnt. Exzellent waren natürlich auch die Instrumentalisten des Gewandhausorchesters – Bläser und Schlagwerk, Denny Wilke an der Orgel und Walter Zoller an der Celesta.
Eingeleitet und von der Trauermotette zum Requiem übergeleitet wurde der Abend vom Leipziger Schauspieler Axel Thielmann mit Erinnerungen von Rudolf Mauersberger an das Geschehen im Februar 1945. Mit ‘Lass sie ruhen in Frieden. Amen’ endet das Werk. Unter dem Schweigen des Publikums verließen die Mitwirkenden den verdunkelten Saal, um dann noch einmal auf die Bühne zu kommen und den mehr als verdienten Beifall entgegenzunehmen.