Melodiya vervollständigt die Anthologie russischer symphonischer Musik mit einer dritten, gegenüber den beiden ersten etwas schmächtigen Box, die aber durch eine signifikante Erweiterung des Titels durch die Bezeichnung ‘sowjetisch’ auffällt: ‘Anthologie russischer und sowjetischer Symphonischer Musik’. Gibt es bei Melodiya eine Nostalgie für das Sowjetische? Ist sowjetische Musik keine russische Musik?
Einen anderen Unterschied zu den beiden ersten Boxen gibt es: diese hier enthält Oratorien und Kantaten, also Vokalmusik aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
Die Einspielungen sind bis auf die Liveaufnahme von Rachmaninovs ‘All Night Vigil’ op. 37 aus früheren Veröffentlichungen bekannt. Die meisten Interpretationen zeichnen sich durch viel Intensität und Engagement aus und lassen die Musik wirksam werden: sie sind kraftvoll, farbig, lyrisch und haben auch viel Tiefe, wenngleich es in einzelnen Fällen auch bessere Einspielungen gibt (Taneyevs ‘Johannes von Damaskus’-Kantate etwa, die bei Naxos von Thomas Sanderling spannender dirigiert wird).
Die russischen Aufführungen haben insofern etwas Authentisches, als die Stimmen eben typisch russisch klingen, was für westliche Ohren nicht unbedingt immer von Vorteil ist, da oft vibratoreich und bisweilen sogar schrill gesungen wird. Auf der anderen Seite haben die legendären ‘russischen Bässe’ etwas Gewinnendes.
Auf zwei weniger bekannte Werke sei ausdrücklich hingewiesen: Da ist zunächst Rostislav Boikos stimmungsvolle Dritte Symphonie, ein postromantisches, in der russischen Volksmusik verankertes, sehr farbiges Werk, das sehr gut und effektvoll orchestriert ist.
Alexander Kastalsky (1856-1926) schrieb sein Oratorium ‘Das Brüderliche Gedächtnis gefallener Helden’ im Jahre 1917, und es ist den Opfern des Ersten Weltkriegs gewidmet.
Es ist eine Art Requiem, das die Gefallenen der ‘Triple Entente’ berücksichtigte. Kastalsky ergänzte sein Werk jedoch mit Sätzen, die weitere Alliierte miteinbeziehen sollten (Griechenland, Rumänien, Portugal, und USA). Das war ein zunächst ein Todesurteil für die Musik, die erst 1977 uraufgeführt wurde, und trotz Svetlanovs Engagement auch noch nicht ganz. So ist denn die vorliegende Aufnahme auch nur ein Torso, denn die oben angesprochenen Sätze wurden nicht mit aufgeführt. Amerikanische Kriegsgefallene zu ehren war 1977 in Moskau einfach undenkbar. Die Liveaufnahme ist ausdrucksstark und klangvoll.
A valuable collection of vocal works from Russian composers concludes Evgeny Svetlanov’s Anthology. Though you will find better performances for some works, the Svetlanov box has the advantage of giving a good overview and it can claim that the recordings have a Russian authenticity, given the typical sound of Russian choirs and soloists, even though western ears may have problems with just this characteristic.