Die Aufnahme des Oratoriums Saul vom letzten Jahr stellt möglicherweise den COVID-19-bedingt diskographisch verfrühten Abschied von Laurence Cummings dar, da er ab der nächsten Saison von George Petrou als künstlerischer Leiter bei den Händelsfestspielen in Göttingen abgelöst wird. Was der Chor des NDR und das Festspielorchester Göttingen unter Laurence Cummings in den Jahren erreicht haben, kann mit dieser Aufnahme des Oratoriums Saul noch einmal nachvollzogen werden.
In zulässiger Weise kann man sagen, dass hier noch mal mit Pauken und Trompeten agiert wurde. Denn diese alte, also biblische Geschichte von Saul hat Händel, der sein Publikum durch die Musik anregen musste und nicht durch Bühnenbild oder Schauspieler beeinflussen konnte, durch den Einsatz biblischer Instrumente bereichert. Gemeint sind Sackbuts, also posaunenähnliche Instrumente, eine Kesselpauke und Tubalcains, ein Glockenspiel, das in der Art eines Carillons gespielt wird. Diese auch in der Bibel erwähnten Instrumente stellen nicht nur diesen Bezug her und boten damit gerade auch der jüdischen Zuhörerschaft einen engen Anknüpfungspunkt. Sie konnten gleichzeitig der englischen Geschichte nahekommen, da dieses Instrumentarium auch bei höfischen Zeremonien zum Einsatz kam und so auch patriotische Gefühle auslösen konnte. Wieder einmal war dem geschäftstüchtigen Händel ein Coup gelungen, der sein Publikum fesselte. In dieser Aufnahme sind diese Zutaten unschwer herauszuhören.
Die Handlung rankt sich um König Saul. Nachdem David den Goliath besiegt hat und vom Volk gefeiert wird, hat Saul Angst um seine Macht. Er beauftragt seinen Sohn Jonathan, David zu töten, doch der mag seine Hand nicht gegen seinen Freund erheben. Scheinbar freundlich macht Saul dann David zum Heerführer, verfehlt aber sein Ziel, dass David in der Schlacht fällt. Als schließlich Saul und Jonathan gegen die Philister kämpfen, fallen beide und David wird König.
Das Festspielorchester Göttingen macht die Musik seines Namenspatrons erneut zu einem lebendigen Erlebnis. Mit fleischigem Klang und fließendem Erzählstrang geben sie eine genauso stringente wie entspannte Deutung der Musik. Der NDR Chor, ebenfalls feste Größe in diesem Rahmen, liefert mit differenziert dargebotener Stimmgemeinschaft eine ebenfalls zu lobende Leistung. Auch die Solisten des Chores können vollauf gefallen. Zusammen lassen sie die Freude an der Musik hochleben und tragen so maßgeblich zum Gelingen bei.
Doch auch die Gesangssolisten überzeugen. Abgesehen von kleinen tenoralen Präferenzen und einigen etwas zu spät kommenden Einsätzen, können die hier Eingesetzten ihre Partien sehr gut gestalten. Mit der tiefsten Stimmlage bildet Markus Brück als Saul das Fundament, dem er Würde und auch fundamenterschütternde Wucht im Zorn vermitteln kann. Eric Jureas als Countertenor gibt dem David selbstbewusste, aber bodenhaftende Sicherheit. Er ragt dabei aus dem souveränen Ensemble etwas mit seiner schmelzend weichen wie kraftvollen Stimme heraus. Sophie Bevan kann als Merab in ihrer ergreifenden Arie mit weichem Klang ihres Soprans gefallen. Doch auch die nicht einzeln erwähnten Sänger lassen nur Gelungenes hören.