Nach der CD mit dem aufmunternden Titel ‘Freizeit’ mit ausschließlich jüngeren Werken (siehe unten) legt das Kuss Quartet nun eine Aufnahme vor, deren Titel ‘Krise’ eher abschreckend wirken mag. Die vor allem aus einzelnen Sätzen bestehende Sammlung bietet neben Auszügen aus bekannten Quartetten auch solitäre moderne Stücke sowie als Ganzes das Quartett ‘Kreutzer Sonate’ von Janacek.
Nach der positiven Energie, die das Quartett mit Freizeit aus der Corona Situation gezogen hat, widmet es sich hier der Frage, wie wichtig Kunst in der scheinbar endlosen Folge von Krisen ist, wobei die Aufnahmen noch vor dem Krieg von Putin gegen die Ukraine erfolgten. Die Antwort ist klar, die Kunst ist gerade jetzt unverzichtbar. Doch wird das mit dem diesem Programm nachvollziehbar? Hatte die CD ‘Freizeit’ als Einzelsätze komponierte Werke präsentiert, werden hier überwiegend einzelne Sätze aus Werken herausgetrennt. Das ermöglicht, die Breite und Weite des Feldes Streichquartett anzudeuten, aber auch nur das. Und es führt auch in die Beliebigkeit des sogenannten klassischen Radios, das nur mit Schnipseln um sich wirft und die Breite und Weite musikalischer Entwicklung in großen Formen negiert.
Das Quartett hat das Album in drei Abschnitte gegliedert, deren erster übergeordneter Ausdruck der Krise des christlichen Abendlandes mit Haydn als Ausgangspunkt sein soll, der zweite fokussiert auf persönliche Krisen in Komponistenleben, wobei auch im dritten Teil persönliche Krisen der Tonsetzer im Mittelpunkt stehen. Im Sinne der Vielzahl der Krisenszenarien kommen die neuen Werke von ganz unterschiedlichen Ausgangspunkten und bieten dementsprechend verschiedene Lösungen an. Das abschließende Auftragswerk zeigt die Überforderung beim Zusammenkommen allen heute verfügbaren Materials. Die reine Zahl an oberflächlichen Möglichkeiten, wie sie für die heutige Zeit typisch sind, wird darin benannt. Sie kann aber auch als Kommentar zu dieser CD gehört werden, die auch viele Teile nebeneinander stellt.
Das Kuss Quartet spielt auch in diesem Fall auf dem üblicherweise gezeigten hohen Niveau. Doch will sich beim Hörer die Freude nicht ganz so einstellen wie bei der Vertonung der ‘Freizeit’. Das Scherzo aus dem Quartett ‘Der Tod und das Mädchen’ wirkt ein wenig unausgeglichen, die existentiellen Krisen bei Haydn und dem Largo des 8. Quartetts von Shostakovich kommen zumindest bei mir nicht so verinnerlicht an, wie gehofft. Eine vorzügliche große Palette von Emotionen wird dann endlich bei Janacek angeboten, als ob erst die Gesamtgestalt alles ans Licht bringt.
Wenn beim erfolgreichsten deutschen Fußballverein jedes suboptimale Spiel gleich als Krise gedeutet wird, so sollte man das nicht verallgemeinern. Und schon gar nicht auf diese CD beziehen. Aber ganz der Genuss beim Hören kam bei der ‘Krise’ nicht auf, anders als bei der ‘Freizeit’.
After the CD with the uplifting title with exclusively younger works, the Kuss Quartet now presents a recording whose title ‘Crisis’ may seem rather off-putting. Consisting primarily of individual movements, the collection features excerpts from well-known quartets as well as solitary modern pieces and, as a whole, Janacek’s quartet ‘Kreutzer Sonata’.
After the positive energy that the quartet drew from the Corona situation with Freizeit, here they address the question of how important art is in the seemingly endless succession of crises, even though the recording took place before Putin’s war in Ukraine. The answer is clear, art is indispensable right now. But does this program make it comprehensible? If Freizeit had presented works composed as single movements, here mainly single movements are separated from works. This makes it possible to hint at the breadth and width of the string quartet field, but only that. And it also leads into the arbitrariness of so-called classical radio, which only throws snippets around and negates the breadth and width of musical development in large forms.
The quartet has divided the album into three sections, the first of which is meant to be an overarching expression of the crisis of the Christian West, with Haydn as the starting point; the second focuses on personal crises in composers’ lives, with the third section also focusing on personal crises of the composers. In the spirit of the multiplicity of crisis scenarios, the new works come from very different starting points and accordingly offer different solutions. The final commissioned work shows the excessive demands of bringing together all the material available today. It names the sheer number of superficial possibilities that are typical of today. But it can also be heard as a commentary on this CD, which also juxtaposes many parts.
The Kuss Quartet plays on the usual high level. However, the listener does not quite experience the same joy as in the setting of Freizeit. The Scherzo from the quartet ‘Death and the Maiden’ seems a bit unbalanced, the existential crises in Haydn and the Largo of Shostakovich’s 8th Quartet, at least for me, do not arrive as interiorized as hoped. An exquisite wide range of emotions is then finally offered in Janacek, as if only the overall gestalt brings everything to light.
If at the most successful German soccer club every suboptimal game is immediately interpreted as a crisis, this should not be generalized. And certainly not to this CD. But quite the pleasure of listening to the crisis did not arise, unlike the leisure.