Fromental Halévys Oper ‘La Reine de Chypre’ beginnt wenig vielversprechend, entwickelt dann aber im Laufe des Geschehens ihren mitreißenden Charme. Die im 15. Jahrhundert angesiedelte Handlung vertont die Intrige, dass ein venezianischer Ritter Gérard seine Nichte Catarina heiraten will. Diese aber ist dem zyprischen König Lusignan versprochen und muss ihrem Geliebten ihre Ablehnung mitteilen. Auf Zypern treffen sich der Ritter und der König inkognito, und der König rettet den Ritter vor der Ermordung. Zwei Jahre nach der Hochzeit erkrankt der König nach einer unheilbaren Vergiftung durch die Venezianer. Die Intrige kann noch aufgedeckt werden, so dass der König Catarina zur Königin küren kann und sie den Ritter heiratet. Diese kurze Geschichte, um einige Personen und Ecken gekürzt, wird in fünf Akten erzählt, die jeweils in einem furiosen Finale enden, dass jedes ein musikalisches Gesamtende der Oper sein könnte. Dazwischen finden sich Einleitungsmusiken, Arien, Rezitative und Couplets sowie Chöre.
Halévy kann man als Neuerer der Traditionalisten bezeichnen. Abweichungen von der Norm, etwa die Wahl eines lange zurückliegenden Sujets, eine Frau als bestimmende Figur, bezaubernde Duette, etwa zwischen Gérard und Lusignan bzw. später zwischen Gérard und Catarina markieren besondere Momente dieser großen französischen Oper. Besonders ist auch die Behandlung der Stimmen, die unter Betonung von Rhythmus und Sprachmelodie und nicht virtuos und übertrieben verziert eingesetzt werden. Auch die Instrumentation, wie der Einsatz der Blechbläser, ist unerhört. Subtil wird die innere Dynamik der Charaktere gezeichnet, was auch Berlioz und Wagner aufhorchen ließ.
Die sängerische Besetzung dieser Aufnahme ist wirklich nicht von schlechten Eltern. Allen voran, Véronique Gens. Sie ist herausragend in Form, ihre Stimme ist weit mit einem dunklen Timbre. Man kann sie als Glücksfall für diese Aufgabe sehen, wie sie Drama, Zärtlichkeit und Fraulichkeit entwickelt und sowohl die Tiefen markant als auch die Höhen leuchtend erstrahlen lässt. Zudem ist ihre Deklamation sehr deutlich.
An ihrer Seite lieferten sich Cyrille Dubois als Gérard und Étienne Dupuis als Lusignan sängerisch ein Muskelspiel. Der Hit « Salut à cette noble France » entfaltet auch hier seinen Sog. Dubois versieht seinen Part mit Glanz, abgesehen von kleineren Schönheitsstäubchen. Er meistert die herausfordernden Höhen und bringt die gewünschte Emotion.
Für die Aufführung und damit auch die Aufnahme ist vor allem das erstklassige Französisch des durchweg französischsprachigen Ensembles wunderbar. So klingt französische Oper, also gesungene Deklamation. Dies gilt selbst für den Außenseiter, Christophoros Stamboglis. Er hat viel Französisches gesungen und lässt seinen Bass glänzen. Eric Huchet hat einen markanten Tenor für die Partie des Fieslings. Mit schön geführter Stimme beeindruckt nachhaltig als großherziger König Étienne Dupuis. Angenehm in kleinen Partien fallen Artavazd Sargsyan und Tomislav Lavoie auf.
Am Pult des flämischen Radio-Chores und des Orchestre de chambre de Paris steht Hervé Niquet. Er zeigt eine straffe Führung und treibt die Tempi, gibt aber auch Zeit für die emotionalen Momente, aber eben auch den Zug für das Drama. Der Chor überzeugt mit frischem beschwingtem Gesang, verwackelt manchmal aber auch besonders rhythmische Momente. Das Orchester erfüllt seine Aufgabe sehr ordentlich, lässt aber die Spritzigkeit und Finesse der Ensemble mit historischen Instrumenten etwas vermissen.