Musik steht selten allein im Raum, aber in manchen Fällen sind die äußeren Bezugnahmen besonders intensiv. Zur Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie hatte das Philharmonische Staatsorchester mit Kent Nagano am Pult ein Werk zur Uraufführung bei Jörg Widmann in Auftrag gegeben. Herausgekommen ist ein Oratorium namens ‘Arche’, für das der Komponist sich von der Architektur und der Hafenlage der Elbphilharmonie inspirieren ließ.
Das abendfüllende Stück ist ein Oratorium für Solisten, Chor, Orgel und Orchester, das sich um die Schöpfungsgeschichte, die Sintflut und um das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Gott dreht. Doch nicht nur dieses Thema, sondern auch andere kennzeichnen das Werk, die stilistischer, inhaltlicher und anderer Natur sind. Die Aufführung wurde live mitgeschnitten.
Widmann ist ein Komponist, der sich mit seinem Wirken mit leichter Hand zwischen Tradition und Moderne bewegt. Er hat für die fünf Sätze eine Textsammlung geschaffen, die die die Bibel, Assisi, Heine und Nietzsche aufnimmt, aber auch Klabund und Sloterdijk. Doch erst recht werden musikalisch unzählige Quer- und Rückbezüge geschaffen. Sein eigener Stil wird hier mit Rhythmen à la Orff, Zitaten von Beethoven kombiniert, Walzer und Wagner treffen ebenso aufeinander. Eröffnet das Werk murmelnd und grummelnd mit einer lautmalerischen Schöpfungsgeschichte, so werden im ‘Dona nobis pacem’ am Ende die Götzen von heute, etwa Popstars und ‘Social Media’ dumpfsinnig angebetet.
Die Aufzeichnung der Uraufführung liegt in den Händen von Kent Nagano, der am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg, dank seiner immensen Erfahrungen mit den Herausforderungen von spröden, konturreichen, dann wieder sich ineinander verbindenden Klangfäden ohne Fehl und Tadel sicher jongliert. Auch die Erzähler und Sänger wissen sich der neuen Aufgabe mit überzeugenden Leistungen anzunehmen.
Dennoch täuschen die ausgezeichneten Darbietungen nicht über die Aspekte hinweg, die sich auch aufdrängen. Nicht nur fehlt im Beiheft der Text, weswegen die Nachverfolgung des Ideenstroms schwerfällt, auch die musikalisch vielfältige Ideenflut stiftet eher Verwirrung, als dass die Konzentration auf die hier angerissenen existenziellen Glaubens- und Menschheitsfragen stärkt. Es wirkt manchmal wie ein gewollter Flickenteppich.