Schuberts 1828, also nach Beethovens Tod entstandene Sonaten sind gewissermaßen ‘Sonaten der Befreiung’. Der Meister war gestorben, das Terrain gehörte nun ihm. Und er zeigt das mit einer zum Teil erstaunlichen Entschlossenheit. Zwar bleibt das Zögern ebenso wenig aus wie die Trauer, das Grübeln auch nicht, aber die herrischen Akzente sind in der Sonate D. 960 nicht zu überhören. Javier Perianes führt uns durch des Komponisten erregende Gedankenwelt, mit rigoros geregelten Tempi, einer bestechenden Farbenvielfalt und einer Nuancierungskraft, die immer im Rahmen der Musik bleibt. Ich will damit sagen, dass der Pianist sich keiner unorthodoxen Mittel bedient, um die Musik zum Erlebnis zu machen.
Im langen ersten Satz wird die ganze emotionale Bandbreite von Schuberts Musik völlig deutlich. Die Musik singt lyrisch, mit viel Wärme und softem Touch, sie stockt und grollt aufs Düsterste, sammelt Kräfte, um aufzurauschen, und dann wieder intim in sich zusammen zu brechen. Schuberts geniale Kunst, seine verschiedenen Themen so zu gestalten, dass sie ein Ganzes bilden, kommt in dieser Interpretation voll zum Tragen.
Erster Satz und Andante sostenuto werden so zum ungemein spannenden Erlebnis. Dabei wirkt die Musik, ich betone es noch einmal, keineswegs inszeniert. Lichtstrahlen kommen und verschwinden, genau wie Wolkenschatten. Dem Scherzo wie auch dem abschließenden Rondo belässt Perianes eine fein gesteuerte fließende Form. Er kann im Rondo ganz wunderbar singen, aber auch mal Kapriolen schlagen, oder launisch angreifen, so dass dieses Finale insgesamt auch sehr kontrastreich wird.
Die schon 1919 entstandene A-Dur-Sonate D. 664 erhält bei Perianes erfrischende Züge, die das Werk fortführen von der weit verbreiteten Annahme, es sei eine nette und leichte Musik mit viel ‘Landluft’. Perianes ist keiner, der Schubert verzärtelt, sondern mit manchmal kühnem Zugriff und großer Sensibilität die ganze Spannweite dieser Sonate in ihrem permanenten Wechsel zwischen Hoffnung und Angst deutlich macht.
Besonders emotional wird dabei das Andante, das mit Ausnahme einiger verstörend böser Gedanken, fast wie ein zart formuliertes Gebet klingt, immer erfüllt, geführt vom Zauber des Anschlags. Selbst das Rondo wird nicht zum völlig unbeschwerten Finale, weil Perianes’ linke Hand immer noch Kontakt zum Bösen hat…