Bekannter und wenig bekannter Mendelssohn, das war das Thema im ‘Concert-surprise’ der ‘Solistes Européens Luxembourg’ gestern Abend (18. April 2016) in der Luxemburger Philharmonie. Das Publikum im quasi vollen Haus reagierte begeistert. Mit Recht, wie die Kritik von Remy Franck bestätigt.
Auf Felix Mendelssohns schwärmerische Heimkehr-Ouvertüre (Heimkehr aus der Fremde op. 89), voller Wohlklang von den wie immer hervorragenden ‘Solistes Européens Luxembourg’ aufbereitet, folgte das Violinkonzert op. 64, eines der am meisten gespielten Werke des Komponisten. Solist war Stefan Jackiw, ein 31 Jahre alter Amerikaner koreanisch-deutsch/ukrainischer Abstammung. Auch ohne irgendeinen großen Preis gewonnen zu haben, macht er eine fulminante Karriere.
Jackiw ist ein in vielen Hinsichten erstaunlicher Geiger, mit einer brillanten, sehr persönlichen Technik und einem zart-silbrigen Geigenklang von bestechender Schönheit und Eleganz. Geprägt wird es von feinster Artikulierung und einer seltenen Leuchtkraft. Dass er kein Show-Virtuose sein will, sondern ein tief empfindender Musiker, zeigte auch die Wahl seiner Zugabe, eines langsamen Satzes aus der C-Dur-Sonate von Johann Sebastian Bach. Diese hatte er für das Publikum gespielt, das begeistert auf sein fein ziseliertes, gefühlvoll in perfektem Dialog mit dem Orchester interpretiertes Mendelssohn-Konzert reagiert hatte.
Nach so viel bekanntem Mendelssohn kam nach der Pause das im Vorfeld nicht angekündigte, weniger häufig gespielte Werk des Komponisten, die Erste Symphonie c-Moll op. 11.
Unmittelbar nach der Beendigung seiner 12. Streichersinfonie, im März 1824, schrieb der 15-jährige Felix Mendelssohn eine ‘Sinfonia XIII’ in c-Moll. Da sie allein schon von der großen Orchesterbesetzung her keinesfalls in die Reihe seiner Streichersinfonien passte, bezeichnete er sie als Symphonie Nr. 1. Sie fristet unerklärlicherweise ein gewisses Schattendasein in den Konzertprogrammen der Orchester.
Im Gegensatz zum Violinkonzert und der Italienischen Symphonie, der Vierten, die sich zigmal in den Konzertprogrammen finden, wurde die Erste dieses Jahr, abgesehen von den ‘Solistes Européens’, bloß im Februar bei einer Tournee vom ‘Chamber Orchestra of Europe’ unter Yannick Nézet-Séguin (u.a. auch in Luxemburg) aufgeführt, sowie am 16. Februar in London vom ‘London Symphony’ unter John Eliot Gardiner. Bis Saisonende wird sie nur noch am 30. April vom ‘Orchestre Philharmonique de Radio France’ unter Roger Norrington in Paris zu hören sein
Rezente Aufnahmen der Symphonie gibt es deren zwei, die eine mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter Andrés Orozco-Estrada (Rezension hier), die zweite mit dem ‘Netherlands Symphony Orchestra’ unter Jan Willem de Vriend (Rezension hier).
Das Autograph des jungen Mendelssohn trägt noch die Aufschrift ‘Sinfonia Nr. XIII’, aber 1830 wurde sie dann aber als Symphonie Nr. 1 gedruckt. Die Uraufführung fand am 19. Geburtstag von Mendelssohns Schwester Fanny in Mendelssohn Elternhaus in Berlin bei einer der ‘Salonmusiken’ statt. In London wurde am 26. Mai 1829 eine etwas geänderte Fassung gespielt, für das der Komponist das ursprüngliche Menuett gegen das für den Anlass orchestrierte Scherzo aus seinem Oktett op. 20 austauschte.
Mendelssohn widmete das Werk nachträglich der ‘Royal Philharmonic Society’ in London. Bei der Drucklegung 1830 stellte er jedoch die ursprüngliche Fassung wieder her. Von ihm selber gibt es jedoch auch noch eine Version für Violine, Cello und Klavier 4-händig.
Christoph König vergrößerte seine Überraschung, indem er die quasi nie zu hörende Londoner Fassung dirigierte. Sie erklang auf gewohnt hohem orchestralem Niveau, wunderbar frisch und schwungvoll, wobei das Scherzo feinste Juwelierarbeit war. Hinreißend!