(Uwe Krusch) – Darunter macht es der junge Geiger Sergey Malov nicht. Erst veröffentlichte er eine staunenswerte CD mit Ysaÿe im Zentrum (Rezension siehe unten) und jetzt Paganini. Und da bieten sich natürlich die Capricen op. 1 an. Doch geht Malov hier einen Schritt weiter und setzt eine eigene dreiminütige Komposition dazu, die man als Paraphrase der Capricen wohl zu kurz beschreibt. Denn mit elektronischen Zuspielungen, etwa von Vogelstimmen, und einem entspannt wirkenden Gestus, der die technischen Anforderungen zu verdecken imstande ist, kann man sich diese Paganini-Collage als Überlegung denken, wie Paganini möglicherweise heute komponiert hätte.
Und andersherum kann man Malovs Interpretation der Werke als heutigen Kommentar hören, wie diese Werke heute gespielt werden, auch wenn sie in ihrer Entstehungszeit als reines Virtuosentum betrachtet wurden. Dass Paganini auch andere Ideen damit verband, rückte wohl damals in den Hintergrund. Heute aber versuchen Interpreten, die Capricen auch musikalisch zu lesen und nicht oder nicht so sehr virtuos. Dieser Teil wird auf die handwerkliche Realisierung beschränkt.
Auch Malov weiß die technischen Aspekte mit überlegenem Können zu bezwingen. Da merkt kein Zuhörer, dass sich da jemand anstrengen müsste. Und dazu kommt dann die gestalterische Intelligenz, die diesen Bravourstücken auch sinnhafte Gestaltungen abzugewinnen weiß. Das Formende geht dann so weit, dass man das Strahlende und Schillernde fast schon ein wenig vermisst. Doch natürlich vermittelt diese Herangehensweise ein Bild vollständiger Kompositionen, denen vor der 24. Caprice Malovs Collage noch mal eine aufhorchen lassende Wendung gibt, die Gedanken entfesselt.
The young violinist Sergey Malov does not make it below that. First he released an amazing CD with Ysaÿe in the center (review see underneath) and now Paganini. And here, of course, the Caprices op. 1 are the obvious choice. But Malov goes a step further and adds his own three-minute composition, which is probably too short a description as it is a real paraphrase of the Caprices. For with electronic feeds, such as birdcalls, and a relaxed gesture capable of masking the technical demands, one can think of this Paganini collage as a consideration of how Paganini might have composed today.
And conversely, one can hear Malov’s interpretation of the works as a contemporary commentary on how these works are played today, even if they were considered pure virtuosity in their time of composition. The fact that Paganini also associated other ideas with them probably receded into the background at the time. Today, however, interpreters try to read the caprices also musically and not or not so much virtuosically. This part is limited to the technical realization.
Malov also knows how to conquer the technical aspects with superior skill. No listener notices that he would have to make an effort. And then there is the creative intelligence, which knows how to extract from these bravura pieces also meaningful interpretations. The shaping then goes so far that one almost misses the radiant and dazzling a little. But of course this approach conveys an image of complete compositions, to which before the 24th Caprice Malov’s collage once again gives an attention-grabbing twist that unleashes thoughts.
(Guy Engels) – Als Niccolò Paganini seine 24 Capricci schrieb, ging er wohl davon aus, dass er auf ewig der einzige Geiger bleiben werde, der diesen Gipfel der Virtuosität je erklimmen könnte.
Die Zeit hat den Teufelsgeiger längst Lügen gestraft. Seine Capricen gehören heute quasi zur Grundausrüstung eines jeden Violinisten. Wie er davon Gebrauch macht, steht jedem Interpreten frei.
Sergey Malov hat sich dafür entschieden, nicht den vorgezeichneten Wege violinistischer Akrobatik zu gehen, keinen Hochleistungssport in Fingerfertigkeit zu betreiben.
Seine makellose Technik stellt der Geiger in den Dienst der Musik. Sergey Malov gestaltet die 24 kurzen Stücke mit klugen Rubati und feiner Phrasierung zu kleinen Kunstwerken. Er stellt das Etüdenhafte hintan und lässt der Musik den Vortritt.
When Niccolò Paganini composed his 24 Capricci, he probably assumed that he would forever remain the only violinist who could ever scale this pinnacle of virtuosity.
Time has long since proved the devil’s violinist wrong. Today, his caprices are virtually part of the basic equipment of every violinist. How he makes use of it is up to each interpreter.
Sergey Malov has chosen not to follow the predefined path of violinistic acrobatics, not to pursue a high-performance sport in dexterity.
The violinist puts his flawless technique at the service of the music. Sergey Malov shapes the 24 short pieces into small works of art with clever rubati and fine phrasing. He puts the etude-like aspects aside and lets the music take precedence.