Das Finnische RSO hat unter seinem Chefdirigenten Hannu Lintu zum Sibelius-Jahr alle Symphonien auf Video aufgenommen. Es ist eine Integrale aus einem Guss, im prächtigen Klang des an allen Pulten brillanten Orchesters, gefilmt auf der Bühne des ‘Musiikkitalo’ (finnisch für ‘Haus der Musik »), einem 2011 eröffneten Konzerthaus in der finnischen Hauptstadt Helsinki, mit seiner exzellenten Akustik von Yasuhisa Toyota.
Jede Symphonie wird von einer Einführung durch Hannu Lintu und einer Dokumentation begleitet. Enthalten ist auch ‘Sort of Sibelius’ mit einem filmischen Portrait des Komponisten, kommentiert von der Komponistin Kaija Saariaho.
In der ersten Symphonie legt Hannu Lintu die Eckwerte für seine Interpretationen fest: schlanker, transparenter Klang, viel Drive, Lyrismus ohne sentimentale Beugung. Es ist aber durchaus kein distanzierter, kein unterkühlter Sibelius, aber eine moderne Deutung in hellen Farben (ausgenommen 4 Symphonie), mit viel Atem, aber ohne patriotischen Gefühlserguss.
Die erste Symphonie erhält viel Spannung, die Musik fließt, und beeindruckend ist vor allem der letzte Satz mit großartigen Steigerungen und in den schnelleren Teilen viel orchestraler Fulminanz.
Auch die Zweite Symphonie und die Dritte Symphonie leben von einer atmosphärisch dichten Spannung mit großartigen Steigerungen und heftigen Ausbrüchen. Gerade die wenig gespielte und wenig charaktervolle Dritte profitiert von Lintus Energie.
Lintu markiert auch sehr gut den Bruch zwischen der Dritten und Vierten. Sibelius’ Klangdenken geht formal und klanglich neue Wege (und wurde vom Komponisten dennoch als « Protest gegen die Gegenwartsmusik » bezeichnet) und zudem ist sie besonders düster, weil Sibelius in der Angst litt, der Krebstumor im Hals, der ihm erfolgreich herausoperiert worden war, könne wiederkehren. Die düstere, trostlose Welt der 4. Symphonie wird von Lintu mit grübelnder Intensität gestaltet, und die Musik wirkt oft wie von innerem Fieber geschüttelt.
In den Symphonien Nr. 5-7 setzt Lintu auch auf Kontraste, als versuche er partout, den mystischen Charakter zu vermeiden, den einige Dirigenten (Karajan z.B.) in dieser Musik durchaus erfolgreich ausgemacht haben. Merkwürdigerweise erreicht Lintu hier nicht den Grad an Spannung wie in den vier ersten Symphonien. Wenn man vergleicht, was in den letzten drei Symphonien in Sakari Oramos Aufnahme mit dem ‘Iceland Symphony Orchestra’ alles passiert, fällt diese finnische Version ab.
Nicht uninteressant ist die Serie an Kurzfilmen über Sibelius. Sie sind zwar etwas despektierlich gemacht, nicht ohne Ironie und mit dem klaren Ziel, den Mythos Sibelius zu dekonstruieren, aber sie bringen eine Fülle an Informationen. Freilich hat man manchmal den Eindruck, dass statt Fakten auch viele Spekulationen enthalten sind, und die zerhackte nicht immer kohärente Erzählweise sowie der nervöse Filmschnitt sorgen auch immer wieder für Verwirrung. Sagen wir es mal so: die Filme wenden sich an bereits ausreichend informierte Zuschauer, an Leute, die abwägen und relativieren können. Wer über Sibelius nichts weiß, wird mit Hirvensalos Filmen nichts anfangen können.