Washington’s Birthday ist der erste Satz aus ‘A Symphony: New England Holidays’ deren vier Sätze laut dem Komponisten Charles Ives durchaus auch einzeln aufgeführt werden können. Das ist hier der Fall. Washington’s Birthday ist eine Winter-Musik und gibt einen Eindruck sowohl vom kalten Februar-Wetter in Connecticut wie auch von Ives’s Erinnerungen an die Scheunentänze in seinem Heimatort. Der Komponist porträtiert auch Kälte und Einsamkeit als Symbole des stoischen Puritanismus unter den alten Leuten in New England, im Kontrast zur lustvollen Tanzwut der Jungen.
Christoph König dirigiert eine spannungsvolle Interpretation. Sie ist unglaublich atmosphärisch, und die eisige, trostlose und in gewisser Hinsicht auch mysteriöse Kälte eines New England-Winters kommt wunderbar rüber.
Leonard Bernstein hat die Neue Welt-Symphonie einmal die Alte Welt-Symphonie genannt. Christoph König illustriert diese Meinung sehr gut in seiner neuen Aufnahme mit den Solistes Européens Luxembourg.
Schwermütig beginnt der erste Satz, wie Warnrufe ertönen die Bläserfanfaren zu gehämmerten Paukenschlägen. Ganz klar, Dvorak ist in der Neuen Welt, aber seine Seele nicht. Glanz und Schwung sind nur amerikanische Fassade, hinter denen Melodien auftauchen, die heimatlich gefärbt sind.
Lagerfeueratmosphäre gibt es denn auch im traurigen Largo keine, Nostalgie und Schmerz bestimmt die Musik und ein kurzes freudiges Aufflackern sinkt fast resigniert in sich zusammen. Die kurzen Generalpausen sind Ausdruck stockenden Bluts und Atems und hier wahrlich atemberaubend in ihrer Wirkung.
Dass Buffalo Bill und afro-amerikanische Spirituals ihren Platz behalten, dafür sorgen der dritte und der vierte Satz, in denen aber auch wieder heimatliche Motive auftauchen und einen aufregenden Kontrast bringen, weil sie das Staunen des Komponisten über sein neues Umfeld und gleichzeitig seine Heimatgefühle ausdrücken. Diesen Ausgleich zu schaffen beweist Dvoraks herausragende Meisterschaft im Komponieren, und dass die Solistes Européens dieser Meisterschaft mit einer faszinierenden Klanglichkeit begegnen, macht diese Aufnahme wertvoll. Ein weiteres Charakteristikum der Interpretation ist, dass es König gelingt, diese Klanglichkeit zu differenzieren, wie bei einem Fotoapparat das Sichtfeld zu vergrößern und zu verkleinern, Grandeur mit Intimität zu kontrastieren,. Es ist letztlich, als schwenke Dvoraks Blick zwischen der Heimat und der Neuen Welt hin und her. Die herausragend gute, räumlich perfekt definierte Tonaufnahme trägt maßgeblich zu diesem Eindruck bei.
Das ebenso interessant wie anspruchsvoll zusammengestellte Programm endet mit Aaron Coplands Quiet City. Dies ist eine Liveaufnahme von 2011, während bei Chandos in jenem Jahr das Stück in einer Studioproduktion der Solistes Européens zusammen mit anderen Stücken herauskam. Der Solist auf der Trompete ist (was auf der neuen CD nicht vermerkt ist) der Luxemburger Philippe Schartz. Ihm und den Solistes Européens unter Christoph König gelingt es sehr gut, die delikat parfümierte, impressionistisch-reflektive Stimmung dieser Komposition zu Gehör zu bringen. Die Musik wird so dem dramatischen Kontext des Stücks von Irwin Shaw entrissen, zu dem Copland die Bühnenmusik komponiert hatte, die er in dieses kurze Werk destillierte.