Der argentinische Geiger Tomas Cotik und der chinesische Pianist Tao Lin – beide leben in Miami – haben bereits mehrmals mit CD-Aufnahmen viel Lob bekommen. Daran soll es auch bei dieser Gesamtaufnahme der Mozart-Sonaten nicht mangeln.
Zunächst war ich etwas erschrocken, als ich die Box mit 4 CDs in die Hand nahm: ’16 Sonatas for Violin and Piano’ steht da zu lesen, und das ist ganz falsch, Mozart hat nämlich seine Sonaten für ‘Klavier und Violine’ geschrieben. Und die Wichtigkeit des Klavierparts spielt eine ausschlaggebende Rolle in der Interpretation. Glücklicherweise haben die Interpreten und der Toningenieur die richtige Bezeichnung als Ausgangsbasis für ihre Arbeit gewählt. Die Partnerschaft beider Musik ist gleichberechtigt und wohl proportioniert, in allen Hinsichten.
Mozart hat im Ganzen sechsunddreißig Sonaten für Klavier und Violine komponiert. Diejenigen, die er zwischen 1763 und 1766 schrieb, als er zwischen sieben und zehn Jahre alt war, sind hier nicht enthalten. Die Aufnahmen begreifen die sogenannten reifen Sonaten, die zwischen 1778 und 1788 entstanden und deutlich zeigen, dass der Komponist sowohl die Geige als auch das Klavier spielte. Zudem hatte Mozart nach dem Erfolg der Wunderkind-Jahre in seinen Zwanzigern auch künstlerische und menschliche Rückschläge erfahren, u.a den Tod der Mutter. Das erklärt auch die stilistische Reife und expressive Tiefe der Sonaten, die in diesen Interpretationen sehr gut zum Ausdruck kommt. Gerade aus den Reibungen und Kontrasten beider Instrumente entsteht viel Spannung und damit musikalische Rhetorik, die auch der Verschiedenartigkeit des Gefühlsausdrucks Rechnung trägt. Insbesondere Tomas Cotik kann dabei mit seiner Kunst der Klangfarben sehr viel erreichen.
Beide Musiker lassen uns so die Doppelbödigkeit der Musik erfahren, denn Freude und Trauer stehen hier genauso nebeneinander wie Ernsthaftigkeit und jugendlicher Drang.