Soviel Feuer mit Klangschönheit zu verbinden gelingt in Mendelsohns Ersten Klavierkonzert nicht vielen Pianisten. Was bei Yuja Wang in Kraftmeierei ausartet, bei Pletnev kühlt wirkt, bei Perahia lustlos ist, wird bei dem 23-jähigen kanadischen Pianisten Jan Lisiecki jugendlich-ungestüme Musik ohne Umschweife und ohne Verschnörkelungen (die Lang Langs Aufnahme etwas manieriert werden lassen). Ein wunderschön poetisches Adagio steht zwischen den beiden schnellen Sätzen, in denen das Orchester genau die richtige Dimension hat, um zum Klavierspiel zu passen und dasselbe Feuer vermittelt. Ich kenne keine Aufnahme dieses Konzerts, die mir besser gefällt, nicht zuletzt wegen der sehr natürlichen und gut disponierten, perfekt ausbalancierten Aufnahme.
In den ‘Variations sérieuses’, die Teil eines Albums waren, mit dessen Erlös ein Beethoven-Denkmal in Bonn errichtet werden sollte, hatte Mendelssohn offensichtlich Beethoven im Kopf, als er dieses hoch brillante und sehr anspruchsvolle Stück komponierte, und genau so spielt es Lisiecki, mit heiligem Eifer. Der erste Satz erklingt bei Lisiecki nicht so quirlig und unbeschwert wie bei anderen Pianisten. Er nimmt das Appassionato sehr ernst und räumt Mendelssohns in diesem während der Hochzeitsreise komponierten Werk auch Fragen ein, die sich der junge Mann wohl hinsichtlich der Zukunft stellte. Ein fein nuanciertes, seliges Adagio führt Finale einem Presto scherzando, in dem alle Fragen verflogen sind: er wird zum fulminant farbigen Klangfeuerwerk, in dem einmal mehr auch der kohärente Sound des ‘Orpheus Chamber Orchestra’ begeistert. Mit zwei kürzeren Stücken beschließt Lisiecki sein Programm kantabel und charmant.