Johannes Brahms: Symphonien Nr. 1-4; Wiener Symphoniker, Philippe Jordan; 4 CDs Wiener Symphoniker WS021; Aufnahmen 09/2019, Veröffentlichung 07/08/2020 &14/07/2020 (124') - Rezension von Remy Franck
Nach einem etwas durchwachsenen Beethoven-Zyklus legt Philipp Jordan nun zu seinem Abschied von den Wiener Symphonikern eine Gesamtaufnahme der vier Brahms-Symphonien vor.
In ersten Satz der Ersten Symphonie wählt Jordan ein flottes Tempo und gibt der Musik ihren passend drängenden Charakter, kann aber zusätzlich noch mit feinem Rubato zartere Momente fein auskosten und generell Farbtupfer setzen, die dem aufmerksamen Zuhörer positiv auffallen. Sehr schön musiziert werden der zweite und der dritte Satz mit effektvoll kontrastierenden Farben. Das Finale ist ebenfalls sehr gut differenziert und ausdrucksvoll. Ich mag es, wenn drohend düstere Farben diesen Satz bereichern, ehe die Coda kraftvoll und energetisch dem Ende zuströmt.
Auch in der Zweiten Symphonie gibt es viel zu hören, weil Jordan viele Details herausarbeitet und den Holzbläsern prominente Spielplätze zuweist, leider auch dem überbelichteten Blech. Insgesamt wirkt diese Interpretation mit vielen energetischen Akzenten und einfach zu vielen Details nicht wirklich kohärent, und Brahms’ Pastorale verliert einiges von ihrem genuinen Charme.
Die Dritte Symphonie beginnt mit einem wunderbar großzügig musizierten ersten Satz. Auch hier verzieren die Holzbläser die Musik mit viel Enthusiasmus und kräftigen Farben. Dem von leichter Melancholie durchzogenen Andante folgt ein sehr lyrisches, warmherziges Poco Allegretto, in dem erneut die harmonischen Farben von Brahms hervorragend zur Geltung kommen.
Der Finalsatz wird rhythmisch betont, und ich hätte mir mehr fließenden Schwung gewünscht. Aber das gleicht Jordan mit einem hymnisch-festlichen Musizieren aus, das der Musik auch gut steht.
Die Vierte beginnt Philippe Jordan mit einem großartig strukturierten ersten Satz, in dem man seine gestaltende Hand ständig spürt und auch die emotionalen Momente mit ihm teilen kann. Sehr reizvoll ist das fein nuancierte Andante, während der dritte Satz betont schwungvoll fließt und der vierte aus dem Wechsel von Drängen und reflektiven Seufzen spannend wird.
Aufs Ganze gesehen, ist dies ein spannender Brahms-Zyklus, mit zahlreichen Passagen, die aufhorchen lassen. Liebevoll herausgearbeitete Details, Farben und vor allem Farbtupfer, Klarheit der Stimmenverflechtungen und eine Vielfalt von dynamischen Nuancen und Rubati machen Jordans Brahms interessant, nicht zuletzt auch wegen des hochkarätigen Spiels der Wiener Symphoniker.
Die Aufnahmetechnik hat den Klang des Goldenen Saales im Wiener Musikverein für meinen Geschmack etwas zu hallig und nicht direkt genug eingefangen, aber das Ohr kann sich mit dem Klang abfinden.
After a somewhat uneven Beethoven cycle and on the occasion of his departure from the Vienna Symphony Orchestra Philipp Jordan presents a complete recording of the four Brahms symphonies
In the first movement of the First Symphony, Jordan chooses a brisk tempo and gives the music its suitably urgent character, but in addition he finely savours more delicate moments with fine rubato and generally add splashes of colour that will attract the listener’s attention. The second and third movements are beautifully played with contrasting colours. The finale is also very well differentiated and expressive. I like it when threatening gloomy colours enrich this movement before the coda flows powerfully and energetically towards the end.
There is also much to be heard in the Second Symphony, as Jordan brings out many details and assigns prominent positions to the woodwinds, unfortunately also to the overexposed brass. All in all, this interpretation with its many energetic accents and simply too many details does not really seem coherent, and Brahms’ Pastorale loses some of its genuine charm.
The Third Symphony begins with a wonderfully generously played first movement. Here, too, the woodwinds decorate the music with great enthusiasm and strong colours. The Andante, pervaded by light melancholy, is followed by a very lyrical, warm-hearted Poco Allegretto, in which once again Brahms’ harmonic colours come into their own.
The final movement is rhythmically accentuated, and I would have wished for more flowing verve. But Jordan compensates for this with a hymnic, festive music-making that also suits the music well.
Philippe Jordan begins the fourth movement with a magnificently structured first movement, in which one can constantly feel his formative hand and also share the emotional moments with him. The finely nuanced Andante is very appealing, while the third movement flows with an emphatic swing and the fourth becomes exciting from the alternation of urges and reflective sighs.
Seen as a whole, this is an exciting Brahms cycle, with numerous passages that catch the ear. Lovingly worked out details, colours and above all spots of colour, clarity of the musical lines and a variety of dynamic nuances and rubati make Jordan’s Brahms interesting, not least because of the top-class playing of the Vienna Symphony Orchestra.
The recorded sound is a bit too reverberant and not direct enough for my taste, but the ear can get used to it.